Erwärmung macht Pause
In einer Woche ist es so weit. Dann wird in Stockholm der erste Teil des neuen UN-Klimaberichts präsentiert, der erfahrungsgemäß für Schlagzeilen sorgt. Denn darin geht es um die naturwissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel. Obwohl sämtliche Beteiligten auf strengstes Stillschweigen eingeschworen wurden, kursieren Meldungen über mutmaßliche Inhalte. Vor allem angelsächsische und australische Zeitungen berichteten vorab, dass der Klimarat – bisher immer gut für Untergangsszenarien – angeblich zurückrudere, das Ausmaß der zu erwartenden Erwärmung herunterschraube und Irrtümer einräume.
So berichtet das Wallstreet Journal, aus dem neuen Entwurf gehe hervor, dass sich die Erde in den nächsten 70 Jahren bei fortgesetzter CO2-Emission mit gewisser Wahrscheinlichkeit nur noch um 1,2 Grad erwärme, ein Ausmaß, aus dem ihre Bewohner keinen Schaden ziehen würden. Bisher ging man von einem Plus von fünf und mehr Grad Celsius aus.
1000 Eingeweihte
Einer, der den neuen Klimabericht tatsächlich kennt, ist Georg Kaser. Der Glaziologe von der Universität Innsbruck ist der einzige österreichische Wissenschaftler, der am jetzt zu veröffentlichenden Bericht mitgeschrieben hat. Und er hält sich ans Stillhalteabkommen: „Zum Ergebnis kann ich nichts sagen.“ Wie etwas durchsickern kann? „Da sind etwa 1000 Leute, die regelmäßig Zugang zum Bericht haben. Und da gibt es manche, die nicht verstehen, warum das alles geheim sein soll.“ Auch Diebstahl habe es bereits gegeben, sagt Kaser und holt einen USB-Stick aus der Hosentasche. „Da ist alles drauf, aber von mir werden sie es nicht bekommen und auch von den meisten anderen Autoren nicht.“ Außerdem: „Der Abschlussbericht ist noch überhaupt nicht fertig. Der wird uns in den nächsten Tagen in Stockholm beschäftigen.“
Spiegel online will herausgefunden haben, dass folgende Aussagen im neuen Bericht stehen und von Mitautoren bestätigt würden:
- Die Klima-Sensitivität (beschreibt, wie stark sich die Luft erwärmt, wenn sich die CO2-Konzentration verdoppelt) wird im neuen Report nach unten korrigiert; Prognosen zum Temperaturanstieg fallen milder aus. Als wahrscheinlich gilt ein Anstieg um 1,5 bis 4,5 Grad.
- Die Erderwärmung stocke. Mit „mittlerer Sicherheit“ lasse sich die Pause des Temperaturanstiegs der vergangenen 15 Jahre auf Wetterschwankungen und kurzfristige Effekte zurückführen.
Darüber hinaus gestehe der UN-Klimarat IPCC ein, dass die Computermodelle, auf die man sich stützte, diese Pause der globalen Erwärmung nicht vorausgesehen haben. Auch im Hinblick auf die Veränderungen im arktischen Meereis stünde man vor einem Rätsel. Während die Modelle eine Verringerung prophezeit hätten, sei das Eis zuletzt tatsächlich auf eine Rekordausdehnung angewachsen.
Der IPCC reagiert auf das Bekanntwerden seiner Ergebnisse gewohnt einsilbig: Man nehme die Veröffentlichungen zur Kenntnis, gebe aber keine Stellungnahme ab. Der Text könne sich noch ändern, daraus Schlüsse zu ziehen wäre voreilig. Der IPCC gewichtet lediglich publizierte Studien, er forscht nicht selbst. Genau das macht den Weltklimarat auch so schwerfällig: In den Bericht eingeflossen sind nur Studien, die bis zum März 2013 publiziert wurden. Aktueller Wissensstand sieht anders aus.
Daher ist es für die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb auch ganz logisch, „dass man vom Klimabericht nicht erwarten kann, dass es große Überraschungen geben wird. Denn die tun ja nichts anderes als die vorhandene wissenschaftliche Literatur zusammenzufassen. Zu erwarten, dass plötzlich 1,2 statt 4 Erwärmung drinnen steht, passt nicht zum Konzept des Klimaberichtes.“ Warum dann die Aufregung rund um die angeblichen Inhalte? „Jetzt – in dieser Phase kurz vor der Veröffentlichung des IPCC-Berichtes – wird besonders stark versucht, querzuschießen, zu verunsichern und die Bedeutung des IPCC-Berichtes herunterzuspielen.“
Kritiker einbeziehen
Eines habe sich seit dem letzten Bericht aber sicher geändert: Die Autoren seien viel vorsichtiger geworden. Das diagnostiziert der deutsche Klimaforscher Heinz Wanner in der Schweizer NZZ. Man versuche, Kritiker einzubeziehen. „Man ist im Sandwich“, beschreibt Wanner den Zwiespalt der Autoren. Einerseits müsse man klare Aussagen machen, die Politiker verstünden, andererseits sollten auch alle offenen Fragen aufgelistet werden.
Aber genau das ist – ob des so komplexen Themas Klimawandel – schwierig. Kaser macht es an einem Beispiel fest: „Ja, der Temperaturanstieg macht Pause, das heißt aber nicht, dass der Klimawandel Pause macht. Denn der ist viel mehr – Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg, CO2-Kreisläufe ...“ Und er hat eine ganz natürliche Erklärung für die stockende Erwärmung: „Wir erleben gerade eine starke La-Nina-Phase.“ Heißt? „Der Pazifik ist derzeit sehr kalt. Dieses kalte Wasser kommt nach oben und kann viel Wärme aufnehmen. Und damit spüren wir sie in der Luft nicht so sehr.“
Übrigens: Auch vor der Veröffentlichung des Klimaberichts 2007 sickerten vermeintliche Resultate durch. Sie stellten sich aber zum Teil als falsch heraus.