Absturz des Bayern-Papstes
Am vierten Tag des vom Richter zügig geführten Prozesses erging Donnerstagmittag das Urteil des Münchner Wirtschaftssenats: Drei Jahre und sechs Monate Gefängnis für den Präsidenten von Europas erfolgreichstem Fußballklub. Uli Hoeneß, der auf ein Schlusswort nach dem Plädoyer seines Verteidigers verzichtet hatte, nahm das Urteil im Gerichtssaal weitgehend unbewegt auf.
In der Urteilsbegründung sah das Gericht die entscheidende Frage, ob die Selbstanzeige von Hoeneß strafmindernd wirkte, als klar entschieden an: Dieser Milderungsgrund sei nicht gegeben. Sie war das Hauptargument der Verteidigung gewesen, in ihrem Plädoyer Freispruch oder maximal eine bedingte Haftstrafe zu fordern. Sie hatte die Selbstanzeige zwar auch als unvollständig, aber trotzdem als wirksam bezeichnet, auch wegen des umfassenden Geständnisses des Angeklagten am Beginn der Verhandlung.
Selbstanzeigen-Streit
Der Staatsanwalt hatte die Selbstanzeige von Anfang an als unwirksam bezeichnet, weil sie von Hoeneß in den 14 Monaten seither mehrfach nachgebessert worden war. Der Staatsanwalt hatte deshalb fünfeinhalb Jahre Haft gefordert.
Wegen des Geständnisses und der Lebensleistung von Hoeneß wurde dieses Strafmaß vom Gericht auf das geringere Maß reduziert. Es warf Hoeneß in der Urteilsbegründung aber vor, die Jahre seit 2009, seit er die jahrelangen Spekulationen über sein Schweizer Nummernkonto beendet hatte, nicht genutzt zu haben, um die Unterlagen für eine wirksame Selbstanzeige zusammenzustellen.
Sollte es bei der Strafe bleiben, muss Hoeneß mit einem echten Gefängnisaufenthalt von etwa einem halben Jahr rechnen. Danach winken ihm Freigang und später Erlass von einem Drittel bis zur Hälfte der Strafe.
Dazu kommen die Vermögensverluste: Die Steuernachzahlung und die Strafzinsen werden auf 30 Millionen Euro geschätzt. Hoeneß muss sie aus dem versteuerten Privatvermögen leisten, die Spekulationsgewinne in der Schweiz sind verspielt.
Bilder: Zitate zur Steueraffäre
Reaktionen
Die meisten von den Medien befragten Strafrechtsexperten lobten das Strafmaß als angemessen. Einige kritisierten allerdings, dass der Medienrummel und die Verletzung von Hoeneß’ Privatsphäre nicht ausreichend als Milderungsgrund anerkannt worden seien.
Der Aufsichtsrat des FC Bayern trat direkt nach dem Urteil zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, er konnte sich aber am Donnerstag nicht durchringen, Hoeneß, wie vielfach gefordert, von seinen Funktionen zu entbinden (siehe weiter unten).
Die politischen Reaktionen waren angesichts der Prominenz des Verurteilten und des politischen Dauerbrenners Steuerhinterziehung ausnahmslos positiv. SPD-Finanzsprecher Joachim Poß, der Hoeneß’ Tat früh als "Oberschichtenkriminalität" gegeißelt hatte, sagte, er sei "froh, dass es keinen Prominentenbonus gegeben" habe. Der Widerstand der SPD gegen das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Steuerabkommen mit der Schweiz habe sich als richtig herausgestellt, es hätte Hoeneß sonst unentdeckt gelassen und ihm geholfen, bis zu 20 Millionen Euro an Steuernachzahlungen zu sparen.
Das sah auch Grünen-Chef Anton Hochreiter so: "Es gab weder einen Promi-Bonus noch einen Promi-Malus. Das ist gut."
Hoeneß’ Vorstandskollege beim FC Frankfurt, Heribert Bruchhagen bedauerte ihn als einer der wenigen Prominenten: "Mir tut es unendlich leid für Uli. Ich bin sehr erschrocken über die Vorstellung, dass Uli für seinen Fehler so heftig büßen muss." Hoeneß-Biograf Günter Klein sagte: "Er wird nicht mehr der Alte sein. Jetzt geht es um die Existenz."
"Ich werde dem FC Bayern dienen, bis ich nicht mehr atmen kann", posaunte Uli Hoeneß am Abend des 13. November 2013 auf der Jahreshauptversammlung des deutschen Fußball-Rekordmeisters vor 3573 anwesenden Mitgliedern in gewohnt selbstbewusster Manier. Er wolle nach seinem Prozess eine außerordentliche Mitgliederhauptversammlung einberufen und die Vertrauensfrage stellen. "Wenn ich von Ihnen keine klare Mehrheit bekomme, werde ich mich jedem Votum unterwerfen", sagte der Präsident des FC Bayern München e.V. und Aufsichtsratsvorsitzende der FC Bayern München AG.
Ganz unterschiedlich waren die Reaktionen auf das Urteil von 3,5 Jahren Haft für den Klubboss. Während die offizielle Website des Klubs wegen Überlastung am Donnerstagnachmittag einige Zeit lang nicht verfügbar war, ging es auf der Facebook-Seite der Bayern rund. Neben vielen positiven Zusprüchen machten einige Nutzer auch Scherze über Hoeneß – etwa, ob er im Gefängnis ein Bundesliga-Abo des Senders Sky haben dürfe. Auf dem Online-Netzwerk Twitter liefen innerhalb einer Stunde 23.000 Nachrichten zu Hoeneß ein. Der Verein selber kommentierte das Urteil zunächst nicht.
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4: Gerade einmal vier Verhandlungstage brauchte das Landgericht München II für einen der größten Steuerprozesse Deutschlands, in dem es auch um Grundsatzfragen einer wirksamen Selbstanzeige ging.
7: Sieben einzelne Fälle standen in der Anklageschrift, wegen dieser sieben Fälle verurteilte das Landgericht Hoeneß zu einer Strafe von
3 Jahre, 6 Monate: Urteil des Landgerichts München II
5 Jahre, 6 Monate: Gefordertes Strafmaß der Staatsanwaltschaft
3,5 Millionen Euro: Steuerschuld, die Hoeneß laut Anklageschrift verschwiegen hatte
5,5 Millionen Euro: Verlustvorträge, die Hoeneß laut Anklage zu Unrecht in Deutschland geltend gemacht hatte
10,8 Millionen Euro: Der von den Steuerfahndern ermittelte Jahresverdienst von Hoeneß im Jahr 2008
15 Millionen Euro: Die zusätzliche Steuerschuld, die Hoeneß' Verteidigung zu Beginn des Prozesses einräumte
18 Millionen Euro: Summe, die Hoeneß einmal an einem Tag verzockt haben soll
18,5 Millionen Euro: Summe der Steuerschuld aus der Anklageschrift und dem Geständnis von Hoeneß
20 Millionen D-Mark: Gesamtsumme, die Hoeneß vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfuss bekam und die den Grundstock für die Spekulationsgeschäfte legten
27,2 Millionen Euro: Steuerschuld nach Angaben der Steuerfahndung im für Hoeneß günstigsten Fall. Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht akzeptierten diese Summe.
Etwa 130 Millionen Euro: Gewinne aus den Spekulationsgeschäften
155 Millionen Euro: Höchststand auf dem Schweizer Spekulationskonto
5 Jahre: Höchstmaß bei Steuerhinterziehung
10 Jahre: Höchstmaß bei Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, den die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer sah