Genscher: "Man muss mit den Russen reden"
Von Evelyn Peternel
Lange hat er keine Auftritte in der Öffentlichkeit absolviert, zu krank war Hans-Dietrich Genscher in den letzten Monaten dafür. Jetzt hat Deutschlands wohl prägendster Außenpolitiker in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen aber deutlich Stellung bezogen: Der 88-Jährige fordert darin die Bundesregierung auf, das Gespräch mit Putin zu suchen – und ihre Sanktionspolitik zu überdenken.
Seine Kritik zielt vornehmlich auf Kanzlerin Angela Merkel, die am kommenden Montag den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und den französischen Staatschef François Hollande bei sich empfängt – man diskutiert die aufflammenden Kämpfe in der Ukraine – allerdings erneut ohne Einbindung der Russen.
Auch seine eigenen Krisen mit Moskau schildert Genscher in dem Gespräch, mit deutlich weniger Ernst allerdings. Die diplomatische Verwicklung darüber, als Kanzler Kohl Gorbatschow einst mit Joseph Goebbels verglich, beschreibt der 88-Jährige mit lächelnder Altersmilde – "erfreut war ich nicht", sagt er, der die Sache in Moskau ausbügeln musste. Was Gorbatschow zu der Angelegenheit sagte, darüber will Genscher "lieber schweigen" – die beiden sind bis heute Freunde.
Die Pistole stets dabei
Auch Anekdotisches aus der Innenpolitik gab Genscher preis. Etwa, dass er als Innenminister – von 1969 bis 1974 bekleidete er dieses Amt – stets eine Waffe bei sich trug, weil es Hinweise auf ein mögliches RAF-Attentat gab. Allerdings "nur eine kleine, sie musste ja in meine Hosentasche passen."
Die Pistole trug er bis zum Ende seiner Karriere bei sich. Den Abschied wiederum, so der für seinen Humor bekannte Genscher, habe der Eismann Ötzi zu verantworten: Als man den aufgetaut habe und er fragte: "Ist der Genscher noch Außenminister?", habe er zu seiner Frau gesagt: "Es ist so weit."