Der Papst im Visier der Mafia
Papst Franziskus räumt seit seinem Amtsantritt im März an vielen Fronten auf. Ein besonders heikles Terrain ist dabei jenes der Finanzen. Er sorgte sofort für mehr Transparenz in der umstrittenen Vatikanbank. Der Pontifex machte nie ein Geheimnis aus seinem Plan, die Zentren der wirtschaftlichen Macht des Kirchenstaates zu demontieren. Eine klare Absage an Luxus und Reichtum sowie mehr Offenheit und Transparenz stehen ganz oben auf seiner Agenda.
Und damit bringt sich der Papst in akute Gefahr. Denn Jorge Mario Bergoglio hat den Unmut des Organisierten Verbrechens auf sich gezogen, wie der leitende Staatsanwalt von Reggio Calabria, Nicola Gratteri, in einem Interview mit der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano erklärt.
„Papst Franziskus macht die Finanzmafia nervös. Er ist konsequent, glaubwürdig, und sein Ziel ist eine Grundreinigung der Kirche“, so Gratteri. Wenn die Mafia-Bosse die Chance hätten, ihm ein Bein zu stellen, würden sie es tun, zeigt sich der Staatsanwalt alarmiert. „Ich weiß nicht, ob das Organisierte Verbrechen momentan in der Lage ist, zu handeln. Aber sie denken mit Sicherheit über ihre Möglichkeiten nach. Es kann gefährlich werden.“ Das klingt umso alarmierender, wenn man bedenkt, wie unbekümmert sich Franziskus in großen Menschenmengen bewegt.
Kooperation mit Kirche
Die Finanzmafia investiert, wäscht Geld und kooperiert seit Ewigkeiten mit korrupten Prälaten der katholischen Kirche. „Sie hat sich ungehindert davon ernährt – mit dem Wissen der Kirche. Diejenigen, die sich bis heute mit Geld und Macht aus dem Vatikan bereichern, sind sehr unruhig und nervös“, erzählt Gratteri.
Auch wenn viele Mafiapaten tot oder im Hochsicherheitsgefängnis sind: Die Mafia lebt, setzt seit Jahren auf ein enges Zusammenspiel mit der Kirche und baut kontinuierlich ihre Macht aus. In seiner 26-jährigen Berufslaufbahn als Richter habe Gratteri noch kein Mafiaversteck ohne Madonnenstatuen oder Kruzifixe gesehen.
„Die ’Ndrangheta (kalabrische Mafia, Anm.) und die Kirche stehen in enger Beziehung“, warnt Nicola Gratteri. Bei einer Befragung inhaftierter Mafiosi gaben 88 Prozent an, religiös zu sein. Bevor ein Mitglied der ’Ndrangheta tötet, bittet es die Madonna um Schutz.
Der Staatsanwalt geht mit hohen Würdenträgern Süditaliens scharf ins Gericht. Der Erzbischof von Reggio Calabria etwa wollte selbst nach der Verurteilung eines Mafia-Bosse in letzter Instanz keine Stellung beziehen. Der Grund: Es hätte sich ja vielleicht um einen juristischen Fehler handeln können.
Papst Franziskus hat gestern, Donnerstag, Staatspräsident Giorgio Napolitano im Quirinalspalast seinen ersten offiziellen Besuch abgestattet. Das Gespräch drehte sich vor allem um die schwierige wirtschaftliche Lage und die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer sowie um Hilfe für die Betroffenen auf der süditalienischen Insel Lampedusa.
Rom, Petersplatz, 13. Mai 1981: Der Türke Mehmet Ali Agca drängt sich durch die Menschenmenge bis knapp vor den Papst. Dann schießt er, Johannes Paul II. (1978–2005) wird drei Mal getroffen und sinkt schwer verletzt zusammen. Der Attentäter wird überwältigt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach seiner Amnestierung im Jahr 2000 wird er an die Türkei ausgeliefert, wo er wegen anderer Delikte noch 36 Jahre Gefängnis vor sich gehabt hätte. 2010 wird Agca vorzeitig entlassen.
Über sein Motiv äußerste sich der Mann, der in seiner Heimat mit den ultra-nationalistischen Grauen Wölfen sympathisierte, im Laufe der Jahre widersprüchlich. Bis heute sind die Hintergründe (und Hintermänner) der Bluttat rätselhaft.
Allerdings kam 2006 ein Untersuchungsausschuss des italienischen Parlaments zu dem Ergebnis, dass der Anschlag auf den Papst auf Weisung des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Leonid Breschnew, erfolgt sei. Der sowjetische Geheimdienst habe dabei mit dem bulgarischen und der ostdeutschen Stasi kooperiert. Tatsächlich war dem aus Polen stammenden Kirchenoberhaupt der Kommunismus verhasst, durch sein weiteres Wirken trug er maßgeblich zum Kollaps des „real existierenden Sozialismus“ bei.
Auch um den Tod von Johannes Paul I. (1978) ranken sich zahlreiche Spekulationen, er saß nur 33 Tage lang auf dem Stuhl Petri. Eine Theorie besagt, dass der Pontifex vergiftet worden sei, weil er die korrupten Machenschaften der Vatikanbank habe aufdecken und beseitigen wollen. Eine Obduktion des Leichnams wurde sowohl von der Familie als auch vom Vatikan verweigert.