Chronik/Welt

Brände in Kalifornien: "Als ob eine Bombe eingeschlagen hätte"

Brad Hoffman steht vor dem Nichts, doch seinen Humor hat er noch nicht verloren. "Darf ich Ihnen die Eingangstür zu meinem zweistöckigen Haus zeigen?", sagt der Kalifornien mit einem leicht gequältem Lächeln. Dabei blickt er auf eine graue Mondlandschaft aus verbogenem Metall, Aschebergen und verkohlten Holzbalken.

"Es ist schwer, überhaupt noch etwas zu erkennen", meint der Hobby-Musiker. "Das hier könnten meine Trommeln sein, dort die Reste meines neues Motorrads." Hoffman zählt zu den tausenden Menschen, die in dem Flammeninferno von Santa Rosa und den benachbarten Weinbautälern Napa und Sonoma ihr ganzes Hab und Gut verloren haben.

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Seine Freundin greift vorsichtig in die noch warme Asche, auf der Suche nach Andenken: ein Porzellanteller, ein paar Silberlöffel, viel mehr ist nicht zu retten. "Als wenn eine Bombe eingeschlagen hätte, wie Hiroshima", sagt Phoebe Vernier mit leiser Stimme - durch ihre Atemschutzmaske hindurch.

Das Paar war nicht zuhause, als die Feuerwalze in der Nacht auf Montag die Nachbarschaft am Rande der Kleinstadt Santa Rosa überrollte. Erst am Dienstagnachmittag (Ortszeit) können sie sich ein Bild von der totalen Verwüstung machen. Soweit der Blick reicht ist das Coffey-Park-Viertel mit Hunderten Häusern dem Erdboden gleichgemacht. Nach Schätzungen der Behörden haben die mehr als ein Dutzend Brände in Nordkalifornien mehr als 2.000 Gebäude zerstört.

"Wir schliefen, als die Polizei an die Tür klopfte", erzählt Hoffmans Nachbar Ray Perez. Es habe stark nach Rauch gerochen, und sie hätten sofort das Haus verlassen müssen, berichtet der Familienvater. Zum Packen war keine Zeit mehr. "Alles ist weg", murmelt er und schaut dabei über das schwelende Chaos aus Stahl und Asche. Fast alles: "Die vier Goldfische im Gartenteich haben überlebt, das ist wirklich ein Wunder", sagt Perez mit tränenerstickter Stimme.

"Das ist erst der Anfang"


Es grenzt an ein Wunder, dass in dieser verwüsteten Nachbarschaft nur ein Todesopfer zu beklagen ist. Die schweren Brände in Nordkalifornien haben mindestens 17 Menschen das Leben gekostet. "Das ist erst der Anfang", warnt Feuerwehrsprecher Jerry Fernandez. "Wir gehen Vermisstenmeldungen nach, die Brände sind weiter außer Kontrolle". Eine derartige Verwüstung habe er in seinen 30 Jahren bei der Feuerwehr nicht gesehen.

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Tausende Feuerwehrleute, Polizisten, Soldaten und andere Helfer kämpfen gegen die Flammenhölle an, viele sind zur Verstärkung von auswärts angerückt. Auf den leer gefegten Straßen im rauchverhangenen Sonoma Valley, wo sonst Reisebusse mit Ausflüglern zu Weinproben unterwegs sind, fahren jetzt nur Einsatzwagen und Löschfahrzeuge. Eine bedrohliche Stille liegt über der gespenstischen Landschaft, mit Weinbergen, großen Farmen und herrschaftlichen Weingütern.
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Der Polizist Rob Celli steht an einer Straßensperre und schaut besorgt auf die näher rückende Feuersäule in den Hügeln von Sonoma. Er trägt eine Schutzmaske gegen den beißenden Rauch. Kurz zuvor hatte sein Team den Befehl bekommen, das Oakmont-Viertel mit teuren Seniorenresidenzen zu räumen.

"Wir sind von Tür zu Tür gegangen und haben regelrecht gebettelt, dass sie die Flucht ergreifen"


Manche Anrainer würden sich schlichtweg weigern, klagt der Polizist. "Wir sind von Tür zu Tür gegangen und haben regelrecht gebettelt, dass sie die Flucht ergreifen." Auch er befürchtet, dass die Zahl der Toten weiter in die Höhe geht.

Es wird noch Tage oder Wochen dauern, bis die Brände gelöscht sind. Doch für viele beginnt jetzt schon die harte Wirklichkeit des Wiederaufbaus. "Ich habe meinen Antrag für den Feuerschaden bei der Hausversicherung schon eingereicht", erzählt Brad Hoffman. Will er das verkohle Grundstück neu bebauen? "Ich weiß es nicht", sagt er zögerlich.
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Hoffman ist skeptisch, ob aus Washington schnelle Hilfe kommt. US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag betont, die Bundesregierung sei an der Seite der Kalifornier. Über die Behörde für Katastrophenmanagement (FEMA) sollen Zuschüsse an die Betroffenen fließen. "Ich kann nur hoffen, dass noch Gelder übrig sind", meint Hoffman. "Wir haben jüngst so viele Katastrophen in den USA gehabt, nun sind die Kassen vermutlich leer."
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Bei den verheerenden Wald- und Buschbränden im Norden Kaliforniens sind mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen. Das bestätigten Vertreter der Feuerwehr am Dienstag (Ortszeit). Im Napa County nördlich von San Francisco starb ein Ehepaar, das seit 75 Jahren verheiratet war. Der Mann war 100 Jahre alt, seine Frau 98.

Mehr als 100 Menschen wurden verletzt, viele wurden auch in der Nacht auf Mittwoch weiterhin vermisst. 20.000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht.

Bei starken Winden hatten sich mehr als ein Dutzend Brände ausgebreitet. Feuerwehrchef Ken Pimlott bezifferte die Zahl der aktiven Feuer in der Weinbauregion am Dienstag (Ortszeit) auf 15. Mehr als 100 Menschen wurden verletzt. Weit mehr als 2.000 Gebäude sind abgebrannt, über 45.000 Hektar Land wurden Opfer der Flammen. "Es ist die reine Zerstörung", sagte Pimlott.

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Mehr als 400 Feuerwehrleute kämpfen gegen die Flammen. Dazu kommen nach Angaben von CNN etwa 4.000 Ersthelfer, Freiwillige und Militärs. Die "Washington Post" meldete, dass noch 180 Menschen vermisst würden und die Totenzahl nach Einschätzung der Behörden noch steigen könnte.

In der Stadt Santa Rosa wurde eine Ausgangssperre verhängt, um Plünderungen zu verhindern. In der Kleinstadt mit rund 175.000 Menschen brannten mehrere Wohngebiete ab. Gouverneur Jerry Brown erklärte für acht Gemeinden den Notstand.

US-Präsident Donald Trump sagte, die Bundesregierung sei an der Seite der Kalifornier. Die Brände hätten eine furchtbare Tragödie verursacht. "Die Menschen haben mein größtes Mitgefühl. Sie machen eine Menge durch", sagte Trump am Rande einer Ehrung im Weißen Haus.

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Oktober ist nach Angaben der kalifornischen Behörden traditionell der Monat mit den meisten Bränden. Für Mittwoch wurden weitere Winde vorhergesagt, die mit starken Böen die Brände anfachen können. Die Brandbekämpfer hoffen, bei niedrigeren Temperaturen besser voranzukommen. Pimlott sagte laut "Washington Post", dass 95 Prozent aller Feuer in Kalifornien - vorsätzlich oder fahrlässig - von Menschen verursacht würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Blitze große Flächenbrände auslösten, sei sehr gering.