Sterbehilfe für kranke Kinder
Heftige Debatten im In- und Ausland sind garantiert: Belgiens Abgeordnetenkammer stimmt am Donnerstag über ein Gesetz ab, das Sterbehilfe für Minderjährige legalisieren würde. Im Senat, der zweiten Hälfte des Parlaments, wurde es im Dezember bereits mit 50 zu 17 Stimmen abgesegnet; auch für diese Abstimmung in der Kammer wird eine klare Mehrheit erwartet.
Damit könnte Belgien bald das erste EU-Land sein, in dem es keine Altersgrenze für Sterbehilfe gibt. In den Niederlanden ist Sterbehilfe für Kinder zwischen 12 und 15 Jahren mit Zustimmung der Eltern erlaubt, 16- und 17-Jährige müssen ihre Eltern informieren, bevor sie sie in Anspruch nehmen.
Strenge Bedingungen
Seit 2002 schon ist in Belgien die Sterbehilfe für Erwachsene legal. Im neuen Gesetz ist nun überhaupt kein Mindestalter mehr vorgesehen; auch die Art der Sterbehilfe ist nicht festgesetzt. Theoretisch könnten demnach auch schon Volksschüler eine Giftspritze erhalten. Allerdings unter strengen Voraussetzungen: Nur Kinder, die "unheilbar krank" sind und unter "unerträglichen Schmerzen" leiden, sollen die Sterbehilfe beanspruchen dürfen. Neben dem Einverständnis der Eltern wäre auch Voraussetzung, dass die Kinder einem Psychologen oder Psychiater gegenüber beweisen, dass sie über ausreichend "Urteilsfähigkeit" verfügen – also sich ihrer Lage und den Konsequenzen ihres Handelns bewusst sind.
Offene Fragen
Das ist auch einer der Kritikpunkte an dem Gesetz: Seine Gegner führen an, es gebe keine Methode, mit der die "Urteilsfähigkeit" der betroffenen Kinder zweifelsfrei festgestellt werden könne. Der Jugend werde auch nicht zugetraut, dass sie wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffen könne, sagt Andre-Joseph Leonard, Vorsitzender der Bischofskonferenz: "Aber plötzlich sollen sie in der Lage sein zu entscheiden, dass man sie sterben lässt."
Bemängelt wird auch, dass in dem Gesetzesvorschlag einige wichtige Fragen ungeklärt geblieben: Etwa, was zu tun ist, wenn nur ein Elternteil die Sterbehilfe des Kindes befürwortet.
Befürworter der Initiative gehen davon aus, dass das Gesetz jedes Jahr nur von einer Handvoll Teenager in Anspruch genommen werden wird, die unter Krebs im fortgeschrittenem Stadium oder anderen unheilbaren Krankheiten leiden. Wie schwer das jedoch abzuschätzen ist, hat sich gezeigt, als 2002 die Sterbehilfe für Erwachsene eingeführt wurde. Damals hatte es – vonseiten der Gegner – geheißen, es bestehe kein Bedarf für ein Gesetz. Die Statistik spricht dagegen: Allein im Jahr 2012 wurden in Belgien offiziell 1432 Fälle von Sterbehilfe verzeichnet.