Mit Bildung aus der Armutsfalle
Von Markus Foschum
Die Sonne brennt heiß auf das kleine Dorf Meninchorbara, mitten im Nirgendwo von Bangladesch. In der Trockenzeit macht sie den Boden zu feinem Staub, der Häuser, Pflanzen und Menschen einhüllt. In der Regenzeit verwandelt der Monsun alles in Schlamm. Das Leben der 700 Menschen ist einfach und hart, hier im Wald nahe der burmesischen Grenze, stundenlange Fußmärsche von der nächsten größeren Ortschaft entfernt.
Die Sonne bedeutet aber auch Hoffnung. Hoffnung auf ein besseres Leben für Kinder wie die zwölfjährige Nung Ma. Ins Dorf kam und ins Leben von Nung Ma trat diese neue Perspektive vor einigen Jahren unter dem Namen „SONNE International“ und in Person des Österreichers Erfried Malle, der hier mit seinem Hilfsverein eine Dorfschule einrichtete. Ein bisher ungekannter „Luxus“. Offizielle Schulen gibt es zwar, aber nur in größeren Orten, die weit entfernt sind. Straßen gibt es keine.
1,50 Euro Tageslohn
Als dann die kostenlose „SONNE-Schule“ öffnete, war man misstrauisch. Was will der Ausländer hier? „Ein paar Kinder sind hingegangen und nach einiger Zeit sahen wir, dass es eine gute Sache ist“, meint der Vater. Dann durfte auch Nung Ma hin. Als erstes Mitglied der Familie besuchte sie eine Schule.
Patenschaft hilft
Und das Mädchen zeigte Talent. Ihre Zeugnisse waren gut. So gut, dass sie nach der Grundschule im Dorf ins SONNE-Schülerheim in die Bezirkshauptstadt Alikodom mit weiterführenden Schulen durfte. Möglich war das jedoch nur, weil zum Fleiß auch das Glück kam. In Österreich übernahmen Pateneltern die Ausbildung von Nung Ma und geben dem Mädchen mit 60 Euro monatlich ganz neue Perspektiven.
„Englisch habe ich am liebsten“, erklärt Nung Ma schüchtern. Das Schülerheim ist schön und die Freunde dort nett, nur Heimweh hat sie manchmal. Besuche im Dorf sind selten möglich.
Träume hat sie auch: „Ich will ein Doktor werden“, sagt Nung Ma und lächelt. Dann könnte sie auch den Leuten im Dorf helfen. Die Eltern würden sie gerne in einem Amt oder einer Hilfsorganisation sehen. Das sind sichere und gute Jobs. Klar ist für beide: „Wir sind sehr stolz auf unsere Tochter.“
Schlagzeilen macht Bangladesch (das Land der Bengalen) in Europa vor allem mit Katastrophen. Einstürzende sowie brennende Textilfabriken haben in jüngster Zeit viele Todesopfer gefordert und das Augenmerk auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen gelegt. Für zwölf Stunden tägliche Knochenarbeit gibt es 40 Euro im Monat; zu wenig zum Überleben. Die Produkte dieser Ausbeuterei finden sich als T-Shirts oder Jeans bei uns.
Auch Naturkatastrophen suchen das Land oft heim und sorgen für Tote und Verwüstung. Mit 1084 Menschen pro Quadratkilometer ist es zudem das am dichtesten besiedelte Land der Welt. Auf nicht einmal der doppelten Fläche von Österreich leben mehr als 160 Millionen Menschen.
Die Armut mit Projekten zur Selbsthilfe vor Ort zu bekämpfen, anstatt Hilfsgüter zu verteilen ist der Ansatz von SONNE International. Zusätzlich zu dem Schulprojekt gibt es Förderprogramme für Frauen: Einen Computerkurs sowie eine Schneider-Ausbildung. Arbeitslosen Frauen werden Nähmaschinen zur Verfügung gestellt. Das erlernte Handwerk bedeutet eine Einnahmequelle. Knapp 600 Frauen konnten den Kurs bisher abschließen.
Ein Weltenbummler war der gebürtige Kärntner Erfried Malle seit seiner Jugend. „Irgendwann war Reisen alleine zu wenig. Ich sah keinen Sinn mehr darin“, sagt er. Bei einer Expedition in Ladakh beschloss Malle, mehr zu tun – und gründete 2001 „SONNE International“.
Was klein begann, entwickelte sich zu einem Hilfsverein, durch den 15.000 Kinder in Äthiopien, Bangladesch, Burma und Indien Schulbildung erhielten. „Bildung verhilft zu einem menschenwürdigen Leben“, betont Malle.
Nach dem Motto „Wenn die Kinder nicht in die Schule gehen können, weil es keine Schule gibt, dann bringen wir die Schule ins Dorf“ arbeitet SONNE International seit 2004 in abgelegenen Bergdörfern von Bangladesch. Die Menschen in dem Gebiet, den Chittagong Hill Tracts, gehören zu einer Minderheit und sind durch eigene Sprache, Kultur und Religion in dem ohnehin armen Land zusätzlich benachteiligt.
In den SONNE-Dorfschulen werden derzeit 314 Kinder unterrichtet. Besonders begabten Jugendlichen (aktuell 27) wird durch Patenschaften weiterführende Schulbildung geboten.
Doch ohne Spenden ist der Hilfsverein hilflos. Es sind Patenschaften mit 60 Euro monatlich ebenso möglich wie einmalige Spenden. „Jeder Euro ist wichtig und willkommen“, sagt Malle. Wie die Gelder eingesetzt werden, kann man sogar vor Ort erleben – Malle organisiert Reisen zu den SONNE-Schulen. Im Internet gibt es auch einen Blog der Amstettnerin Sarah Kienbacher, die als ehrenamtliche Helferin für SONNE in Bangladesch ist.
Info: www.sonne-international.org, Spendenkonto: BLZ 60000, Kontonummer 00510061977; Telefon 01/798 518 3.