Chronik/Welt

Auschwitz: Gedenken auf "größtem Friedhof der Welt"

Die Berge von Kinderschuhen konnte ich nicht mehr sehen, ich musste rausgehen", sagt Viktoria P. aus Wr. Neustadt. Eine andere Schülerin hat es in den Gaskammern von Auschwitz nicht ausgehalten. "Unvorstellbar, was Menschen anderen Menschen antun können." Anna B., sie besucht die 7. Klasse eines Wiener Gymnasiums, will mehr über den Nationalsozialismus erfahren. "Ich möchte sehen, was in Auschwitz passiert ist. Ich denke, den Hass gegenüber Juden gibt es offen oder versteckt immer noch."

Eine Gruppe von rund 500 österreichischen Schülern besucht diese Woche das Konzentrationslager Auschwitz, begleitet werden sie von einigen Dutzend Lehrern und Zeitzeugen. Marko Feingold, der insgesamt drei Vernichtungslager überlebt hat, ist mit den Schülern in einem Bus nach Auschwitz gereist. Der bald 103-Jährige erzählt den Jugendlichen stundenlang, was er in den Vernichtungslagern erlebt hat. Die Aufschrift am Eingangstor von Auschwitz "Arbeit macht frei" ist eine "Verhöhnung", schildert er den jungen Leuten. "Auschwitz war die industrialisierte Vernichtung." Die Schüler hören ihm einfach nur zu. "Von ihm erfahren wir sehr viel, eigentlich mehr als im Unterricht", meldet sich die 16-jährige Franziska S. aus Salzburg zu Wort. Am Donnerstagnachmittag nahmen die österreichischen Schüler, deren Fahrt nach Auschwitz vom Unterrichtsministerium inhaltlich und finanziell gefördert wird, am "March of The Living" teil. Ein Verein namens MoRaH organisiert die Schülerreisen zu den Gedenkstätten des Holocaust.

Aus der ganzen Welt kamen Jugendliche, Überlebende, Zeitzeugen, Juden und Nicht-Juden nach Ausschwitz, um der Opfer der Schoah zu gedenken. Und daran zu erinnern, dass "Juden ermordet wurden, weil sie Juden waren", sagte in einer sehr berührenden Rede der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Mit Tränen in den Augen fügte er hinzu, dass "hier der größte Friedhof der Welt ist".

Rund 15.000 Menschen nahmen am Marsch der (Über-)Lebenden teil. Unüberschaubar lang war die Menschenkette, die sich langsam vom KZ Auschwitz in das drei Kilometer entfernte Birkenau bewegte. Hier in Birkenau sind noch die Gaskammern zu sehen, in denen mehr als eine Million Juden mit dem Giftgas Zyklon B ermordet wurden. Insgesamt wurden sechs Millionen jüdische Frauen, Männer, Kinder von den Nazis getötet. "Ich bin hier, um deutlich zu machen, dass die von Deutschen begangenen Verbrechen niemals vergessen werden dürfen", sagte dem KURIER ein 89-jähriger Überlebender, der aus Panama-City angereist kam.

Das erste Mal nahm am Donnerstag eine offizielle österreichische Delegation am Gedenkmarsch teil. Die Idee, Politiker, Gemeindemitglieder, Überlebende und auch Medienvertreter einzuladen, kam von IKG-Präsident Deutsch. "Die vielen, vor allem jungen Leute, die aus Israel und anderen Ländern hierher kommen, sind ein Zeichen dafür, dass die Menschlichkeit die Grausamkeiten besiegt. Das ist für mich ein starkes emotionales Gefühl. Das ist heute der Spirit von Auschwitz", skizziert Deutsch seine Initiative.

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl und Vertreter des Innenministeriums sind der Einladung von Oskar Deutsch gefolgt. Heinisch-Hosek bekannte, dass es auch heute darum gehe, wachsam zu sein und mehr gegen den stärker werdenden Antisemitismus zu unternehmen. Das sei nötig, "um die Demokratie zu stärken".