Chronik/Welt

Richter verwies stillende Mutter dem Gerichtssaal – wegen "Ablenkung"

Im australischen Melbourne hat ein Richter eine stillende Frau dem Gerichtssaal verwiesen. Den Rauswurf begründete er als "selbsterklärend": Dem australischen Nachrichtensender SBS zufolge soll die Frau dem Richter zufolge eine "Ablenkung" für die Geschworenen dargestellt haben.

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Den Medien empfahl der Richter, sich nicht weiter mit dem Vorfall zu beschäftigen, er sei "irrelevant".

Heftige Kritik von Generalstaatsanwältin 

Die Öffentlichkeit dürfte das aber anders sehen: Die Generalstaatsanwältin des zuständigen Bundesstaates Victoria, Jaclyn Symes, will die Angelegenheit mit dem Gericht erörtern, sagte ihr Sprecher: "Keine Frau verdient es, für das öffentliche Stillen beschämt und gedemütigt zu werden."

Auch die australische Ministerin für frühkindliche Bildung, Ingrid Stitt, äußerte sich kritisch über den Vorfall: "Im Jahr 2023 ist es außergewöhnlich, dass dies überhaupt passiert ist. Es ist wirklich enttäuschend." Die wichtige Botschaft für Frauen im Bundesstaat Victoria sei, dass ihr Recht unterstützt werde, für ihre Kinder sorgen zu können. "Und wenn das bedeutet, dass Sie in einem öffentlichen Gebäude stillen müssen, dann ist das etwas, das nicht nur toleriert, sondern gefeiert werden sollte", sagte Stitt.

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Die Geburtshelferin Nisha Khot aus Melbourne bezeichnete den Vorfall als entsetzlich: "Wir haben uns so sehr bemüht, so viele Hindernisse für Frauen, die stillen wollen, zu überwinden, und dass so etwas in einem Gerichtssaal passiert, ist einfach nicht akzeptabel", wird Khot von SBS zitiert. "Babys sind im Parlament dieses Landes und in anderen Parlamenten gestillt worden. Ich glaube nicht, dass es einen öffentlichen Raum gibt, in dem das Stillen eines Babys inakzeptabel sein sollte."

Rechtlich ist sie Lage nicht eindeutig. Stillende Mütter sind unter dem Equal Opportunity Act in Victoria im öffentlichen Raum besonders geschützt. Gerichte werden anders als etwa Schulen, Universitäten oder Geschäfte nicht gesondert im Gesetz erwähnt. Im Gerichtssälen wiederum ist Essen, Trinken und das Tragen besonderer Kleidung wie Hüten oder Sonnenbrillen verboten. Stillen hingegen nicht.

Das Gericht wurde laut Medienberichten um eine Stellungnahme angefragt, hat sich bisher aber noch nicht zu Wort gemeldet.