Missbrauchs-Skandal: Kardinal Barbarin will ins Kloster
Der wegen Nichtanzeige sexuellen Missbrauchs erstinstanzlich zu sechs Monaten Bewährungsstrafe verurteilte französische Kardinal Philippe Barbarin will sich in ein Kloster zurückziehen und dort bis zum Ende des Berufungsprozesses bleiben. Das kündigte der Erzbischof von Lyon laut Kathpress gegenüber dem katholischen Sender KTO an.
Nach einer Audienz bei Papst Franziskus hatte Barbarin zuvor am Dienstag die Leitung der Amtsgeschäfte seiner Diözese bis auf weiteres an Generalvikar Yves Baumgarten übergeben. In dem KTO-Interview erklärte Barbarin auch, was den Papst bewogen habe, den von ihm angebotenen gänzlichen Rücktritt vom Amt des Erzbischofs vorerst nicht anzunehmen.
Nicht rechtskräftig verurteilt
Barbarin war am 7. März nicht rechtskräftig zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er nicht von sich aus einen Priester angezeigt hatte, der vor rund 40 Jahren mutmaßlich mehrere Minderjährige sexuell missbrauchte. Zugleich kündigte Barbarin an, Berufung einzulegen und dem Papst seinen Rücktritt anzubieten. Dieser nahm das Gesuch nicht an, sondern stellte Barbarin die Entscheidung über seine Zukunft frei.
Über das Treffen mit Franziskus am Montag im Vatikan berichtete Barbarin im KTO-Interview, der Papst habe ihm gesagt: "Wenn ein Urteil angefochten wird, gilt die Unschuldsvermutung. Wenn ich Ihren Rücktritt akzeptiere, erkenne ich daher an, dass Sie schuldig sind. Das kann ich nicht. Aber ich kann verstehen, dass Sie sich zurückziehen möchten." Barbarin berichtete in dem Interview außerdem, dass er bereits vor dem Urteil mit dem Papst in Kontakt gewesen sei. Franziskus habe den Gerichtsprozess mitverfolgt.
Kirche gehorcht dem Papst
Barbarin äußerte Verständnis für jene, die die Nicht-Annahme seines Rücktritts nicht verstünden. Er selbst gehöre auch zu dieser Gruppe, denn er habe das Gesuch ja eingereicht. "Aber in der Kirche gehorcht man dem Papst."
Beeindruckt zeigte sich Barbarin von den Zeugenaussagen mutmaßlicher Missbrauchsopfer. Eine Person habe ihm gesagt: "Sie leiden seit drei oder vier Jahren, aber wir leiden seit 30 oder 40 Jahren." Es sei schrecklich, so etwas zu hören, so der Kardinal.
Die Strafe für Barbarin war überraschend gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich im Jänner gegen eine Verurteilung des Kardinals ausgesprochen. Er habe vor Gericht nicht versucht, sich reinzuwaschen, sondern erklärt "was ich wann und warum getan habe", so der Kardinal weiter. Der Artikel des Strafgesetzbuchs, auf dessen Basis Staatsanwaltschaft und Gericht zu zwei unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen sei, könne auf verschiedene Weise interpretiert werden. Werde er bei der Berufung erneut gegen ihn ausgelegt, "dann ist es eben so", fügte Barbarin hinzu. Das französische Recht eröffne ihm die Möglichkeit zur Berufung, "also mache ich es", sagte der Kardinal.