Chronik/Welt

Massiver Anstieg: Tödlichster Juni im Mittelmeer seit fünf Jahren

Die Zahl der bei der Überfahrt nach Europa gestorbenen Menschen im Mittelmeer ist zuletzt stark gestiegen. Mindestens 629 Menschen sind damit laut Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) der Vereinten Nationen allein im Juni im Mittelmeer ertrunken. Die Gesamtzahl der Toten im Jahr 2018 liegt nun bei mindestens 1405.

Während in Europa politisch über den Umgang mit Flüchtlingen, den Schutz der Außen- und Innengrenzen und Auffanglager in Nordafrika diskutiert wird, verzeichnete die IOM den tödlichsten Juni seit fünf Jahren. Seit Anfang 2014 starben nur in sieben Monaten noch mehr Menschen. 

Der Anstieg ist insbesondere deshalb alarmierend, weil die Ankünfte von Migranten in den Mittelmeernationen Spanien, Italien, Zypern und Griechenland über das Mittelmeer sich in der gleichen Zeit drastisch reduziert haben. Etwas über 12.000 Ankünfte wurden im Juni registriert. Das sind nur halb so viele wie im Jahr davor und nicht einmal ein Viertel der Ankünfte vom Juni 2015 (54.000).

45.000 sind es bisher im gesamten Jahr 2018 gewesen. Der Rekordwert für einen einzelnen Monat wurde im Oktober 2015 erreicht. Damals kamen 220.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa. Gleichzeitig wurden damals aber "nur" 433 Tote verzeichnet. Starben damals also etwa 0,2 Prozent der Menschen bei der Überfahrt, liegt der Wert im Juni bei fast 5 Prozent.

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Rettungsschiffe blockieren "ist kriminell"

Dass weniger Menschen die Überfahrt versuchen aber trotzdem mehr sterben, liegt für Sea Watch in der Behinderung der Rettungskräfte. Allgemein hat sich die Zahl der Rettungsschiffe im Mittelmeer im vergangenen Jahr etwa halbiert. Weil mehrere Schiffe gerade in Malta an der Abfahrt gehindert werden und andere am Weg zu Häfen in Spanien und Frankreich sind, ist derzeit aber gar kein NGO-Rettungsschiff vor Ort, um Menschen zu retten, die von Schleppern in Meeres-untaugliche Boote gesteckt und losgeschickt werden.

Sea Watch kritisiert, dass durch die Festsetzung von Rettungsschiffen mindestens drei Bootsunglücke geschehen, die sonst möglicherweise verhinderbar waren. Bei einem Unglück am Freitag wurden 103 Menschen getötet, darunter drei Babys. Das in der Nähe befindliche Schiff "Open Arms" sei dabei nicht hinzu beordert worden.

Wer Rettungskräfte mit Absicht behindert, gehört vor Gericht. Die 100 Toten von gestern sind die persönliche Verantwortung derer, die Rettungsschiffe blockieren lassen,” sagt Pia Klemp, Kapitänin der Sea-Watch 3, die in Malta am Auslaufen gehindert wird. "Dass nicht das Sterben sondern Seenotrettung aktiv verhindert wird, ist nicht nur beschämend, das ist kriminell.” Sea Watch fordert, die Hafenblockaden in Italien und Malta sofort aufzuheben, sowie ein Ende der Kriminalisierung von Seenotrettung und unterlassener Hilfeleistung seitens der europäischen Staaten.

Es geht hier um Behinderung von Rettungskräften,” sagt Sea-Watch Vorstand Johannes Bayer. “Wenn Rettungsschiffe von offizieller Stelle dazu angewiesen werden, einem Boot in Seenot nicht zu helfen, wie das am Freitag erneut geschehen ist und anschliessend Menschen sterben, dann muss das auch juristisch Konsequenzen haben. Unser Rechtssystem macht sich lächerlich, wenn es nicht dazu in der Lage ist, diese Täter zur Verantwortung zu ziehen, stattdessen aber Rettungskräfte wegen Nichtigkeiten vor Gericht stehen.”

Der italienische Vizepremier Luigi Di Maio warnte vor einer "politischen Instrumentalisierung" der Toten, um die Einwanderungspolitik der Regierung in Rom anzugreifen. "Schiffe der italienischen Küstenwache und der Marine retten weiter Menschen in Not", sagte Di Maio  Innenminister Matteo Salvini sagte der libyschen Regierung unterdessen neue Schiffe für die Küstenwache zu. Er begrüßte indes Maltas Beschluss, erneut das Schiff einer Hilfsorganisation anzuhalten, das vor der Küste Libyens Migranten aus Seenot retten will. Die von der deutschen NGO betriebene "Sea Watch 3" habe den Hafen auf Malta verlassen wollen, sagt "Sea Watch". Die Behörden hätten das Auslaufen aber untersagt

Seit 1993 starben laut der Organisation "UNITED" über 34.000 Menschen beim Versuch, nach Europa zu gelangen.