Masern-Epidemie: Tausende Todesfälle in Madagaskar
Der fünf Monate alte Isaia hätte nicht sterben müssen. Eine einfache Impfung hätte sein Leben wohl gerettet. Seine Mutter Lalatiana Ravonjisoa ist nach dem Masern-Tod des Buben verzweifelt. "Ich werfe mir vor, nicht genug getan zu haben", sagte die 35-Jährige. Isaia ist eines von inzwischen schon mehr als 1.200 Todesopfern der seit Monaten andauernden Masern-Epidemie in Madagaskar.
Mit rund 120.000 Erkrankungen seit September vergangenen Jahres ist der Ausbruch in dem Inselstaat einer der derzeit größten der viralen Krankheit weltweit. "Er ist nur eine Woche nach dem ersten Fieber gestorben", sagt Ravonjisoa. Als der Kleine krank wurde, habe sie sich keinen Arztbesuch leisten können, erzählte die Gemüseverkäuferin aus der Hauptstadt Antananarivo. Sie gab ihrem Sohn ein Medikament, um das Fieber zu senken. Es schien ihm bald besser zu gehen. An seinem Todestag im Jänner hatte sie sich Isaia auf den Rücken gebunden, um wie immer auf der Straße ihr Gemüse zu verkaufen. Als sie später wieder nach Hause kam, waren seine Füße schon kalt. Der Bub war buchstäblich auf ihrem Rücken gestorben.
Dramatische Rückkehr einer vermeidbaren Krankheit
Die Epidemie in dem Inselstaat vor der Südostküste Afrikas ist das aktuellste und wohl dramatischste Beispiel für das, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine beunruhigende Rückkehr vermeidbarer Krankheiten nennt. Die Zahl der Masern-Fälle ist demnach 2017 weltweit im Jahresvergleich um 30 Prozent angestiegen. Die Kinderkrankheit ist extrem ansteckend und kann in Einzelfällen noch Jahre später zu potenziell tödlichen Hirnentzündungen führen.
Die Behörden in Madagaskar, einem der 30 ärmsten Länder der Welt, sind mit dem Masern-Ausbruch überfordert. "Die Epidemie breitet sich leider immer weiter aus", erklärte der WHO-Epidemiologe Dossou Vincent Sodjinou. Fast alle Landesteile sind demnach betroffen. Die Epidemie fordere auch deshalb so viele Opfer, weil etwa die Hälfte aller Kinder mangelernährt sei und daher ein bereits geschwächtes Immunsystem habe.
Nur Hälfte der Kinder geimpft
Das Virus hatte in Madagaskar leichtes Spiel, weil jahrelang nur rund die Hälfte aller Kinder geimpft wurden. Das lag nicht an Impfgegnern, sondern daran, dass dem Staat die Mittel für Aufklärungs- und Impfkampagnen fehlen. Die WHO will in dem Land mit 26 Millionen Einwohnern nun rund 7,2 Millionen Kinder impfen lassen.
Weltweit sind vor allem ärmere Länder von Masern betroffen. Im zentralafrikanischen Kongo etwa haben die Behörden seit Jahresanfang bereits rund 41.000 Erkrankungen und 760 Masern-Tote gezählt, auf den Philippinen erlagen der Krankheit 355 Menschen. Bei den Opfern handelt es sich überwiegend um Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren.
In Madagaskar sind vor allem ländliche Bezirke betroffen, aber auch Antananarivo bleibt nicht verschont. Die sechs Kinder von Marie-Jeanne Randriamahefy im Alter von vier bis 20 Jahren hatten dort im Dezember alle Masern. "Ich hatte das Gefühl, einer nach dem anderen würde mir wegsterben", sagte die 44-Jährige. Sie sei tagsüber als Putzfrau arbeiten gegangen, abends habe ihr Zuhause einem Krankenhaus geglichen. "Drei Kinder lagen in einem Bett, die drei übrigen im anderen Bett", erzählt sie. "Ich wusste nicht, was ich machen sollte."
Impfung als einzige Lösung
Für einen Arzt hatte auch Randriamahefy kein Geld, also brachte sie ihre vier Jahre alte Tochter zu einem Tierarzt. Schließlich lieh sie sich Geld, um die Kleine in ein Krankenhaus zu bringen, wie sie unter Tränen erzählte. Inzwischen hat die Regierung angeordnet, Masern-Patienten kostenlos zu behandeln. Randriamahefys Kinder haben überlebt, aber die Mutter macht sich Vorwürfe: "Ich habe die Kinder nicht impfen lassen. Es ist meine Schuld, dass sie fast gestorben sind." Eine ursächliche Therapie gibt es bei Maserninfektionen nicht. Verhindern kann die Erkrankung nur die Impfung.