Chronik/Welt

Indien: Vergewaltigung in der Ehe wird doch nicht rechtlich anerkannt

Die indische Regierung weigert sich weiterhin, Vergewaltigung in der Ehe als solche rechtlich anzuerkennen.

"Ein Ehemann hat sicher kein grundsätzliches Recht, den Willen seiner Frau zu verletzen", argumentierte das Innenministerium in einer Stellungnahme an den Obersten Gerichtshof, aus der die Zeitung The Indian Express am Freitag zitierte. Dieses "Verbrechen als Vergewaltigung in der Ehe anzuerkennen", könne aber "als übertrieben und unangemessen angesehen werden".

10 Millionen Frauen waren Opfer sexueller Gewalt 

Indische Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler bemühen sich seit langem, die Gesetzeslage zu ändern. Das im 19. Jahrhundert während der britischen Kolonialzeit eingeführte Strafrecht enthält bis heute den Satz: "Sexuelle Handlungen eines Mannes mit seiner eigenen Frau sind keine Vergewaltigung." Diese Klausel blieb auch im reformierten Strafrecht von 2005 und bei einer erneuten Reform im vergangenen Juli enthalten. Die Regierung von Premierminister Narendra Modi setzte lediglich das Alter der Ehefrau von 15 auf 18 Jahre herauf. Zudem werden "Gewalttaten" eines Mannes gegen seine Frau mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.

In einer landesweiten Umfrage zwischen 2019 und 2021 hatten sich sechs Prozent der Frauen zwischen 18 und 49 Jahre als Opfer sexueller Gewalt in der Ehe bezeichnet. In dem bevölkerungsreichen Land entspricht dies etwa zehn Millionen Frauen. Zudem erklärten 18 Prozent der Frauen, dass sie sich nicht in der Lage sähen, Sex mit ihrem Ehemann abzulehnen.

Kaum Scheidungen in Indien

Scheidungen sind in Indien weiterhin tabu. Lediglich ein Prozent der Ehen werden geschieden. Die Frage nach der rechtlichen Einstufung von sexueller Gewalt in der Ehe ist schon seit Jahren am Obersten Gericht anhängig. 

Im Jahr 2022 erklärte ein Richter, dass erzwungener Sex in der Ehe zu "missbilligen" sei. Dies könne jedoch nicht "mit der Vergewaltigung durch einen Fremden gleichgesetzt werden".