Chronik/Welt

Franziskus beginnt sein zehntes Jahr auf dem Stuhl des Petrus

Er ist ein Meister der Erlasse. Kaum ein Papst hat so oft ein "Motu proprio" - einen Erlass "auf eigene Initiative" - veröffentlicht wie Franziskus, der am 13. März sein zehntes Jahr als Papst beginnt. 49 solcher Dokumente listet die Website vatican.va für ihn auf. Zum Vergleich: Johannes Paul II. (1978-2005) brachte es in seinen 26,5 Amtsjahren auf 31, Benedikt XVI. (2005-2013) auf 13.

Eine Ausnahme bildet Paul VI. (1962-1978). Aber der musste die Beschlüsse eines ganzen Konzils umsetzen.

Es heißt, das Konklave im März 2013 habe den Erzbischof von Buenos Aires auch deshalb zum Papst gewählt, weil die Kardinäle eine Reform der Römischen Kurie für notwendig hielten. Kaum im Amt, berief der Papst vom Ende der Welt denn auch einen internationalen Kardinalsrat ein, der ihn bei einer solchen Reform beraten soll. Seither harrt die Welt der angekündigten neuen Kurienverfassung in Form einer Apostolischen Konstitution.

"Immer weitermachen"

Unterdessen hat Franziskus getreu seinem Motto "andare sempre avanti" (immer weitermachen) einen Reformschritt nach dem anderen getan. Nicht in einem gradlinigen Marsch, sondern wie beim Tango: Wiegeschritte vor und zurück, gepaart mit der ein oder anderen Volte. Bei der Einrichtung und Ausstattung von Finanzbehörden oder der Justizreform, um die Strafverfolgung handlungsfähiger zu machen.

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Anders als im argentinischen Nationaltanz, bei dem mal der Mann, mal die Frau führt, führt im Kurienreform-Tango allein Franziskus. Getreu dem Leitungsmotto seines Ordens: Der Obere hört viele an - und entscheidet dann allein, oft an der Kurie vorbei. Teils sehr überraschend, teils lange abwartend. Auch um sich vieles offenzuhalten.

Neue Freiräume

So sucht der Papst mit kleinen Schritten neue Freiräume: mehr Kompetenzen und Verantwortung für Ortsbischöfe und Ordensleiter, eine weltkirchlich formale Anerkennung und Aufwertung von Diensten in Liturgie und Katechese, die Frauen vielerorts schon lange übernehmen. Härtere Strafen und klarere Vorgaben im Umgang mit Missbrauch.

Mehr Frauen und männliche Laien als Führungskräfte im Vatikan. Dafür schuf Franziskus mitunter zwei parallele Posten, die er mit einer Frau und einem Mann besetzte: im Synodensekretariat, in der Lateinamerika-Kommission, bei der kommissarischen Leitung der Entwicklungsbehörde.

Vor allem im deutschsprachigen Raum erwarteten sich viele weitergehende und andere Reformen. Auch wenn etwa der deutsche Kardinal Walter Kasper seinen Landsleuten zu erklären versuchte: Franziskus ist nicht liberal, er ist radikal. Radikal heißt für Franziskus nicht, mit einem Federstrich bisherige Traditionen zu beseitigen. Ist es doch sein Job als Papst, die katholische Kirche zusammenzuhalten. Nicht einfach in einer Welt, in der jeder Reformvorschlag, jede andere Handhabung einer Praxis binnen 24 Stunden rund um den Globus ist. Und für Protest oder Beifall sorgt.

Umgangs- und Lebensstil

Franziskus' größtes und ehrgeizigstes Reformprojekt ist der weltweite synodale Prozess, mit dem er der katholischen Kirche einen anderen Umgangs- und Lebensstil verpassen möchte. Eine Form, wie so etwas aussehen kann, demonstrierte er kürzlich bei einem knapp zweistündigen synodalen Onlinetreffen mit Studenten aus Nord- und Südamerika, organisiert von der Päpstlichen Lateinamerika-Kommission und der Loyola-University in Chicago.

Es ging vor allem um Migration. Etliche der jungen Frauen und Männer waren selbst Migranten. Sie und der Papst sprachen über ethnisch-kulturelle Identität, seelsorgliche Nähe oder den Klimawandel. Die Weltsynode ist ein wesentliches Anliegen, weshalb Franziskus mindestens noch bis Ende 2023 Papst sein will. Dann soll im Vatikan die Bischofsvollversammlung der Weltsynode über eine synodale Kirche stattfinden.

To-do-Liste

Was steht sonst auf der To-do-Liste für das zehnte Pontifikatsjahr des Argentiniers? Vielleicht kommt endlich die Konstitution zur Kurienreform zwischen Ostern und Mitte Mai.

Auch Reisepläne gibt es. Anfang April wird der im Mai 2020 abgesagte Malta-Besuch nachgeholt, von 2. bis 7. Juli geht es in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan. Und auch in den Libanon will der Papst - wenn es irgendwie geht. Vorausgesetzt, sein Knie wird nicht schlimmer, weswegen er zuletzt Termine absagen musste.

Spätestens im Herbst dürfte Franziskus Purpurbirette an neue Kardinäle verteilen und damit langfristige Perspektiven seines Pontifikats unterstreichen. Ähnliches gilt für neue Kurienleiter, die in absehbarer Zeit zu ernennen wären. Umso mehr, wenn einzelne Behörden wie Bildung und Kultur sowie Mission und Neuevangelisierung zusammengelegt werden.

APA/Roland Juchem/Kathpress