Chronik/Welt

Wieso es immer mehr Franzosen nach Spanien zieht

Von Stefanie Claudia Müller

Lange, sehr lange ist es her, da zog es spanische Gastarbeiter als Näherinnen oder Maurer nach Frankreich. Inzwischen hat sich das Ganze umgekehrt: Immer mehr Franzosen wollen in Spanien leben als umgekehrt.

Zu verdanken ist diese Entwicklung auch dem sozialdemokratischen Premier Pedro Sánchez, der nicht nur fließend Französisch spricht, sondern Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron seit seinem Amtsantritt 2018 offen umgarnt.

Zwar konnte er ihn nicht für seine Idee einer gemeinsamen Gaspipeline nach Deutschland bewegen (Midcat), aber dafür wurde H2MED auf den Weg gebracht: eine geplante unterirdische Pipeline für grünen Wasserstoff von Barcelona nach Marseille.

Pandemie als Icebreaker

Das wachsende gegenseitige Interesse wurde im Jänner mit einem Freundschaftsvertrag besiegelt, in dem sich beide Regierungen zu einem intensiveren Austausch auf vielen Ebenen verpflichten. Sánchez versucht damit, die Achse Madrid-Paris-Berlin zu festigen. Die Deutschen hat er dabei seit Langem auf seiner Seite.

Das plötzliche kulturelle Interesse der Franzosen an Spanien, das im Juli die Ratspräsidentschaft der EU übernehmen wird, ist aber vor allem auch Isabel Díaz Ayuso zu verdanken. Als die konservative Madrider Regierungschefin es 2021 wagte, im Rekordtempo die Wirtschaft und Kultur in der Hauptstadt wieder zu öffnen, obwohl zu Beginn der Pandemie Tausende von Menschen genau dort an Covid gestorben waren, kamen die Franzosen massenweise in die Stadt.

Sie besuchten Theater, Konzerte, Oper und Restaurants, was ihnen in der Heimat untersagt war. Das Resultat: Auf Gourmet-Treffs wie „Madrid Fusion“ oder „Salon Gourmets“ und in vielen Top-Restaurants sowie Hotels der Hauptstadt wird inzwischen vor allem Französisch gesprochen.

"Wirklich enorm angenähert"

„Ich lebe seit 32 Jahren in Spanien, und ich muss sagen, wir haben uns wirklich enorm angenähert in den vergangenen Jahren“, sagt der 57-jährige Franzose Nicolas Grand, der aus beruflichen Gründen zwischen Madrid und Zaragoza pendelt. Selbst mit der spanischen Monarchie beschäftigen sich die französischen Republikaner inzwischen: Die in diesem Jahr volljährig werdende Thronnachfolgerin Leonor wurde soeben in dem angesehenen französischen Magazin Point de Vue detailliert porträtiert.

Lebensfreude als Trumpf

Die Franzosen hätten nicht nur ihre Liebe zu Spanien entdeckt, sondern auch die klaren Vorteile im Vergleich zum eigenen Land, meint der Manager: „Wir bewundern die Lebensfreude der Spanier und dass sie mit weniger zufrieden sind.“ Unternehmer schätzen den sozialen Frieden im Land. Immobilien-Investoren die niedrige Besteuerung und Sicherheit in Städten wie Madrid im Vergleich zu Paris.

Erstmals zweitstärkste Touristengruppe

Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben der Madrider Regierung 337.900 Franzosen zu Besuch, womit sie erstmals die zweitstärkste internationale Touristengruppe in der Hauptstadt waren. Aber auch die Costa del Sol und die Balearen wurden in den vergangenen Jahren von den Franzosen erobert. Nach Angaben des spanischen Maklers Sonneil waren sie zwischen 2018 und 2022 nach den Briten die zweitstärkste ausländische Käufergruppe auf dem spanischen Wohnungsmarkt, noch vor den Russen und Deutschen.

„Zwar bewundern viele Spanier unseren sozialen und politischen Kampfgeist, den wir schon mit der Marseillaise eingeimpft bekommen, aber nur durch ihre inzwischen sehr gute Organisation und eine gewisse soziale Verantwortung war eine schnelle Öffnung in Spanien nach der Corona-Pandemie überhaupt möglich“, stellt Nicolas Grand fest, der glaubt, dass Frankreich etwas weniger Aufregung sehr guttun würde.