Der Un-Diplomat: "Ich liebe meinen UN-Generalssekretär"
Von Bernhard Gaul
Viel Löbliches kann man über Spitzenpolitiker selten erzählen. In den allermeisten Fällen wählen sie ihre Worte sehr vorsichtig. Auf der einen Seite, sagen sie, und dann: aber auf der anderen Seite. Nur ja niemanden auf den Schlips treten, oder gar auf die Füße. Es geht ja immer um einen Popularitätswettbewerb, und den kann man mit scharfen, direkten Worten selten gewinnen.
Eine große Ausnahme ist da António Manuel de Oliveira Guterres. Der Portugiese, Jahrgang 1949, war von 1995 bis 2002 Premierminister Portugals, danach diente er bis 2005 als Präsident der Sozialistischen Internationale, ehe er zu den Vereinten Nationen wechselte, wo er bis 2015 das Amt des Hohen Flüchtlingskommissar bekleidete.
Im Januar 2017 trat er dann die Nachfolge von Ban Ki-moon als Generalsekretär der Vereinten Nationen an, er wurde im Sommer 2021 verlängert, und wird dieses höchste politische Amt der Vereinten Nationen demnach noch bis Ende 2026 innehaben.
Guterres ist mit Sicherheit für viele Staats- und Regierungschefs, was im Englischen nicht sehr fein als „pain in the ass“ bezeichnet wird. Denn bei der Klimakrise mahnt er immer wieder Taten ein, er fordert, er kritisiert, er wird laut. Immer und immer wieder.
“Wir haben die Wahl. Gemeinschaftliches Handeln, oder gemeinschaftlicher Selbstmord”, sagte er erst vor wenigen Tagen bei der Klimakonferenz. Oder: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle - mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens - und sind dabei zu verlieren.“
In seiner Eröffnungsrede der Klimakonferenz 2022 sagte er, das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei akut gefährdet. Er rief zu einem „Klima-Solidarpakt“ zwischen wohlhabenden Staaten sowie Schwellen- und Entwicklungsländern auf. Dabei stünden die USA und China, die mengenmäßig die meisten klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen, besonders in der Verantwortung. Wörtlich sagte er: „Die Menschheit hat eine Wahl: zusammenzuarbeiten oder unterzugehen!“
Zur Trace-Initiative, die Emissionsdaten der Wirtschaft viel genauer verfolgen kann, meinte er: „Sie machen Greenwashing schwieriger. Oder, um es klar zu sagen: das Betrügen.“
Öl- und Kohleindustriebetriebe wirft er vor, sie würden ihre „eigentlich verheerenden Klimabilanzen bewusst schönfärben.“ Deren Praktiken würden nur „unseren Planeten vergiften“.
Den letzten UN-Klimabericht nannte er im April gar ein „Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen. Sie ersticken unseren Planeten“, rief er damals deutlich in Richtung der Industriestaaten und deren fossil-lastige Industrien.
Und: "Klimaaktivsten werden manchmal als `gefährliche Radikale` dargestellt. Aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen erhöhen. Investitionen in neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn."
Überraschend ist dabei zweierlei: Erstens, wie es Guterres geschafft hat, als UN-Generalsekretär für eine zweite Amtszeit verlängert zu werden, wo er doch selten Freundliches und schon lange nichts Diplomatisches mehr sagt.
Zweitens würde mir auffallen: Je deutlicher, direkter und lauter ein Problem angesprochen wird, desto weniger wird es wahrgenommen, wird darüber diskutiert und werden Leitartikel verfasst. Weil es dafür eine gewisse Größe bräuchte einzugestehen, dass Guterres vor allem eines hat: Recht.