Déjà-vu: Streit um zweites deutsches Rettungsboot vor Italien
Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu. Wieder rettet eine deutsche Hilfsorganisation Migranten im Mittelmeer. Wieder steht sie vor verschlossener Tür.
Das Schiff "Alan Kurdi von Sea-Eye aus Regensburg nahm nach eigenen Angaben in internationalen Gewässern vor Libyen 65 Migranten von einem überladenen Schlauchboot auf. Am Freitag drängte der italienische Innenminister Matteo Salvini Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Brief, Verantwortung für das Schiff zu übernehmen.
Die "Alan Kurdi" könne nicht nach Italien fahren - auch nicht im Fall einer späteren Weiterverteilung der Migranten auf weitere Staaten, machte Salvini deutlich: "Italien (...) beabsichtigt nicht, weiterhin der einzige 'Hotspot von Europa' zu sein." Eine Verschlechterung der Situation an Bord werde ausschließlich auf Deutschland als Flaggenstaat, auf den Kapitän und die Crew der "Alan Kurdi" zurückfallen, warnte Salvini.
Zunächst sah allerdings nichts danach aus, dass die deutsche Bundesregierung ihren Kurs mit Blick auf gerettete Migranten im Mittelmeer ändern würde. Sie hatte sich in der Vergangenheit stets bereiterklärt, Schutzsuchende aufzunehmen - jedoch unter der Voraussetzung, dass auch andere Staaten einwilligen. Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums erklärte in Berlin, Ziel der Regierung sei es, "eine schnelle Lösung zu finden". Zunächst müsse ein sicherer Hafen gefunden und über die Verteilung der Geretteten auf die EU-Staaten gesprochen werden.
Sea-Eye berichtete am Abend, die libysche Küstenwache habe dem Schiff einen Hafen zugewiesen, wo die Geretteten an Land gebracht werden könnten. Dies habe die Organisation aber abgelehnt: "Wir werden keine Geretteten zurück in libysche Foltergefängnisse bringen", schrieb Sea-Eye auf Twitter.
Rackete kritisiert deutsche Regierung
Unterdessen meldete sich Kapitänin Rackete erstmals seit ihrer Freilassung aus dem Hausarrest mit Kritik an der Bundesregierung zurück. Die 31-Jährige hatte die mehr als zweiwöchige Blockade der "Sea-Watch 3" mit zuletzt 40 Migranten an Bord vor einer Woche mit dem unerlaubten Einfahren des Schiffs nach Lampedusa beendet.
Nun kommt ein juristisches Nachspiel in Italien auf sie zu. Am Dienstag steht eine Vernehmung an, es geht um den Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Migration. "Für den Fall, den wir nicht erwarten, dass eine Anklage zustande kommt, werde ich mich der selbstverständlich stellen, weil ich dann spätestens beim Gerichtsverfahren mit einem Freispruch rechne", sagte Rackete der NDR-Sendung "Panorama".
Rackete habe den Eindruck gehabt, dass auf nationaler und internationaler Ebene niemand richtig helfen wollte, während die "Sea-Watch 3" auf eine Anlegeerlaubnis wartete. "Die haben die heiße Kartoffel immer weitergereicht, während wir zuletzt noch immer 40 Gerettete bei uns an Bord hatten", sagte sie dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Deutsche Kommunen hätten zwar angeboten, Migranten von der "Sea-Watch 3" aufzunehmen. "Es scheiterte dann aber auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer, der keine Lust hatte, die Angebote der Städte anzunehmen."
Salvini: "Reiche, verwöhnte Kommunistin"
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte am Freitag, zunächst müsse der Bund seine Zustimmung zur Aufnahme geben. Nach dem üblichen Verfahren würden die Menschen dann auf die Länder und von dort auf die Kommunen verteilt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei gebeten, die Angebote der Städte zu berücksichtigen.
Rackete kritisierte auch Seehofers Amtskollegen Salvini. "Seine Art, sich auszudrücken, ist respektlos, für einen Spitzenpolitiker ist das nicht angemessen." Am Freitag nannte Salvini Rackete auf Facebook eine "reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin".
Racketes Anwalt kündigte eine Verleumdungsklage gegen den Minister an. "Er ist es, der die Wellen des Hasses bewegt", sagte Alessandro Gamberini Radio Cusano Campus mit Blick auf Salvini. Es sei zwar schwer, mit einer Verleumdungsklage diesem Hass entgegenzutreten, aber es gehe darum, ein Zeichen zu setzen.
Im Fall von 54 Migranten, die die Organisation Mediterranea Saving Humans am Donnerstag rettete, erzielten Italien und Malta eine Übereinkunft. Valletta erklärte sich bereit, die Menschen von dem Segelboot "Alex" aufzunehmen, wenn Italien im Gegenzug 55 Migranten von Malta übernimmt. Die Organisation sieht ihr Boot allerdings nicht in der Lage, nach Malta zu fahren, und forderte von den Küstenwachen der Länder die Übernahme. Mehr als zehn Migranten, darunter Frauen und Kinder, wurden am Nachmittag von der italienischen Küstenwache von Bord genommen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die EU-Staaten hinsichtlich der Seenotrettung zum Handeln auf. "Wir brauchen einen Vorstoß mit den Mittelmeerländern und den aufnahmebereiten Mitgliedstaaten der EU", sagte Müller am Rande eines Treffens der G7-Entwicklungs- und Bildungsminister in Paris, das am Donnerstag und Freitag in der französischen Hauptstadt stattfand. Man habe viel zu lange gewartet und dürfe Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich nicht alleinelassen. "Sea-Watch gestern ist Sea-Watch morgen", sagte Müller. "Wir fangen dann beim nächsten Schiff wieder mit derselben Diskussion an."