China "produziert" erstmals genetisch veränderte Babys
Von Susanne Bobek
Ein chinesischer Forscher behauptet, zwei kürzlich geborene Mädchen während der Embryonalentwicklung genetisch verändert zu haben. Die internationale Forschergemeinde ist entsetzt und der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock spricht von einem „Super-GAU“ für die Wissenschaft.
Die Zwillinge Lulu und Nana sind offenbar schon ein paar Wochen alt. Sie wurden nach Angaben des Forschers He Jiankui von der Universität Schenzen im Embryonalstadium mit der Genschere Crispr/Cas9 behandelt. Der Eingriff habe die Kinder resistent gemacht gegen HIV. Die Mädchen seien gesund und entwickeln sich völlig normal.
Bisher gibt es keine wissenschaftliche Veröffentlichung zu dem Test. Allerdings hat He Jiankui den Versuch in einem chinesischen Register für klinische Tests eingetragen. Seinen Angaben zufolge hat er auch die Embryos von sechs weiteren Paaren während der künstlichen Befruchtung genetisch verändert. Die Männer waren laut Professor He HIV-positiv, die Frauen HIV-negativ. Die Idee seiner Forschung sei daher, die Embryonen dieser Paare gegen eine HIV-Infektion resistent zu machen.
Auf herkömmliche Art geht das bisher nur, durch eine aufwendige medikamentöse Therapie.
Unbekannte Spätfolgen
He sagt, er habe im Erbgut der Mädchen „die molekulare Eintrittspforte entfernt, durch die HI-Viren Menschen infizieren können“. Die Nachricht kam am Montag nicht zufällig, sondern einen Tag vor dem internationalen Gipfel zum „Human Genom Editing“, der ab heute, Dienstag, an der Universität Hongkong stattfinden wird.
Dort herrschte helle Aufregung: „Die Neben- und Spätfolgen solcher Eingriffe sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren“, sagt Peter Dabrock .
Auch die US-Forscherin Jennifer Doudna, eine der Entwicklerinnen von Crispr/Cas9, kritisierte am Montag in Hongkong: „Wenn sich das bestätigt, stellt diese Arbeit einen Bruch mit dem zurückhaltenden und transparenten Vorgehen der globalen Wissenschaftsgemeinde bei der Anwendung von Crispr/Cas9 zum Editieren der menschlichen Keimbahn dar.“ Es sei dringend erforderlich, der Genmanipulation bei Embryos klare Grenzen zu setzen. Sie dürfe nur dort zum Einsatz kommen, wo eine deutliche medizinische Notwendigkeit bestehe und keine andere Behandlungsmethode existiere. Denn das Besondere an genetischen Veränderungen eines Embryos ist, dass diese an die kommenden Generationen weitervererbt werden, weil sie auch in den Keimzellen wie Ei- und Samenzelle zu finden sind.
Die Genschere Crispr wird in der Forschung bei Mikroorganismen und Pflanzen eingesetzt. In China wurden auch schon Schweine genmanipuliert. Jetzt sind dort die Menschen dran.