Chronik/Welt

Brandkatastrophe im brasilianischen Nationalmuseum von Rio

Ein Großbrand hat am Sonntag das Nationalmuseum in Rio de Janeiro verwüstet, das größte Natur- und Völkerkundemuseum Lateinamerikas. Auf Luftaufnahmen war sehen, wie sich das Feuer binnen Stunden durch hunderte Ausstellungsräume fraß und alles auf seinem Weg vernichtete. Erst nach fünf Stunden brachte die Feuerwehr den Brand größtenteils unter Kontrolle.

Angaben über Opfer lagen zunächst nicht vor. Örtliche Medien berichteten, das Feuer sei gegen 19.30 Uhr (Ortszeit 00.30 Uhr MESZ) ausgebrochen, die Ursache sei noch unklar. Zu diesem Zeitpunkt war das im Norden von Rio nahe dem Maracana-Fußballstadion gelegene Museum für Besucher bereits geschlossen.

Drohnenaufnahmen des ausgebrannten Nationalmuseums von Rio de Janeiro

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"Heute ist ein tragischer Tag für Brasilien", erklärte der konservative Staatschef Michel Temer. "200 Jahre Arbeit und Forschung und Wissen sind verloren." Der Verlust der Museumssammlung sei "unermesslich".

"Tragödie für die Kultur"

Paulo Knauss, Direktor des Museums für Nationalgeschichte in Rio, zeigte sich im Fernsehen entsetzt. Der Brand sei eine "Tragödie für die Kultur", sagte er dem Sender TV Globo.

Das Nationalmuseum in Rio de Janeiro ist eines der ältesten Museen in Brasilien. Der König von Portugal und Brasilien, Joao VI., gründete es 1818 zur Förderung von Wissenschaft und Forschung. Der königlichen portugiesischen Familie diente es als Residenz. Insgesamt erstreckte es sich über eine Fläche von 13.000 Quadratmetern. Es zählte mehr als 20 Millionen Exponate, von denen nun der größte Teil zerstört oder beschädigt sein dürfte.

Das Nationalmuseums beherbergte griechisch-römische, ägyptische und brasilianische Kunstschätze. Zu den Publikumsmagneten gehörte das älteste in Brasilien gefundene menschliche Fossil mit Namen "Luzia".

Weitere Highlights waren das Skelett eines im Bundesstaat Minas Gerais entdeckten Dinosauriers und der größte in Brasilien gefundene Meteorit namens "Bendego" mit einem Gewicht von 5,3 Tonnen.

Die anderen Ausstellungsstücke decken einen Zeitraum von fast vier Jahrhunderten ab - von der Ankunft der portugiesischen Kolonisatoren auf dem Territorium des heutigen Brasiliens im Jahr 1500 bis zur Ausrufung der Republik 1889.

Entmutigt und "enorm wütend"

Der Vizedirektor des Museums, Luiz Fernando Dias Duarte, fühlte sich nach eigenen Angaben "zutiefst entmutigt", aber zugleich "enorm wütend". Das gesamte historische Archiv sei zerstört. Den brasilianischen Behörden warf er vor, das Museum sträflich vernachlässigt zu haben. Eine Regierung nach der anderen habe sich geweigert, die für den Erhalt des Gebäudes dringend erforderlichen Mittel bereitzustellen.

Senator Lindbergh Faris von der Arbeiterpartei (PT) beklagte die im Zuge der Kürzungspolitik verfügte Streichung von Fördermitteln für das Museum. Die ehemalige Umweltministerin Marina Silva, die bei der Präsidentschaftswahl im Oktober antritt, nannte den Großbrand eine "Katastrophe". Diese komme einem "tiefen Schnitt in die brasilianische Erinnerung" gleich. Von der Museumskollektion, die zur "nationalen Identität" beitrug, sei jetzt nur noch "Asche" übrig.

Der seit Juli 2017 amtierende Kulturmininister Sergio Sa Leitao räumte später ein, dass die "Tragödie hätte vermieden werden können". Die Probleme hätten sich im Lauf der Zeit angehäuft. Unter der Staatschefin Dilma Rousseff von der linken Arbeiterpartei sei das Museum 2015 "mangels Mitteln zu seinem Unterhalt" geschlossen worden.

Bei vielen Brasilianern mischte sich in die Trauer über den Verlust zahlreicher unwiederbringlicher Kulturgüter Zorn über das schlechte Management. Lehrkräfte und Studierende der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ), die mit dem Museum verbunden ist, riefen für Montag zu einer Protestkundgebung vor dem zerstörten Gebäude auf.