Chronik/Welt

Amanda Knox beim Festival der Strafjustiz als „Madonna und Hure“

Am 1. November 2007 wurde die britische Austauschstudentin Meredith Kercher (21) in Perugia in ihrer Wohnung getötet. Sex, Eifersucht, Drogen? Die amerikanische Studentin Amanda Knox wurde mit ihrem damaligen Freund des Mordes angeklagt und 2009 zu 26 Jahren Haft verurteilt. 2011 wurde das Urteil aufgehoben. Knox kehrte nach Seattle zurück. 2013 wurde der Freispruch vom Höchstgericht aufgehoben und eine Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Im vierten Prozess wurde Knox 2014 in Abwesenheit erneut des Mordes schuldig gesprochen und zu 28 Jahren Haft verurteilt. 2015 gab es in letzter Instanz einen Freispruch.

Die Geschichte der heute 31-jährigen Amerikanerin, die vier Jahre in Haft war und am Ende nur wegen Verleumdung eines Dritten zu genau dieser bereits abgesessenen Strafe verurteilt wurde, erhitzt bis heute die Gemüter. Denn wer den Mord an Knoxs Mitbewohnerin Meredith Kercher begangen hat, ist bis heute nicht aufgeklärt. Als einziger wurde ein Schwarzafrikaner wegen Beihilfe zum Mord verurteilt.

Der „Engel mit den Eisaugen“, wie sie von der Presse genannt wurde, rechnet jetzt mit den „skrupellosen Medien“ ab. Heute, Samstag wird Amanda Knox beim „Festival der Strafjustiz“ (Festival della giustizia penale) an der Universität Modena sprechen. Sie kehre nach Italien als „freie Frau“ zurück.

Meredith Kercher war in der Mordnacht vergewaltigt und halb nackt mit durchschnittener Kehle aufgefunden worden.

Nach dem achtjährigen Justizdrama bleibt die Frage offen, ob Amanda Knox „das Monster“ ist oder „ein Opfer“ wurde.

Inquisitorische Tradition

Zum „Festival der Strafjustiz“ sind die Publikationen amerikanischer Juristinnen gefragt. Die Juraprofessorin Martha Grace Duncan von der Emory Universität in Harvard veröffentlichte einen Text über die vermeintliche italienische Doppelidentität der Frau als „Madonna und Hure“.

Sie versucht das italienische Rechtssystem mit der „inquisitorischen Tradition des römischen Rechts mit einer Wendung zum kontradiktorischen Verfahren des angelsächsischen Rechts zu relativieren“. Der italienische Staatsanwalt wurde durch eine Rechtsreform aus dem Jahr 1989 in seiner Position eines Inquisitors gestärkt, sagt die Frau Professor . In ihrer Einleitung schreibt Martha Grace Duncan allen Ernstes: „Was man in Italien nicht tun sollte, wenn die Zimmernachbarin ermordet wurde“:

Rote Unterwäsche

Es sei keine gute „Idee“, sich nach einem solchen Ereignis rote Unterwäsche zu kaufen.

In einem anderen Aufsatz geht es um die Sexualisierung der amerikanischen Studentin in den Medien, um „Figurationen der Unschuld“, um die „kulturelle Konstruktion“ der „Femme fatale“. Um Katholizismus gegen den angelsächsischen Protestantismus. „Der Erkenntnisgewinn bleibt gering“, konstatiert die Süddeutsche Zeitung.

Amanda Fox stellt sich freiwillig ins Scheinwerferlicht, im Gegensatz zu ihrem damaligen Freund. Fast trotzig will die freie Journalistin, die die Medien so hasst und die „verrückte Anzahl“ von Interviewanfragen unbeantwortet lässt, sich einem „potenziell feindseligen Publikum“ stellen. „Ich wollte einfach das, was jede andere Person um mich herum hatte: die Freiheit zu sagen, ,Hier bin ich’.“

Im Jänner dieses Jahres wurden ihr vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mehr als 18.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Der italienische Staat sei ihren Anschuldigungen nicht nachgegangen, von der Polizei geschlagen und unter Druck gesetzt worden zu sein, heißt es in der Begründung.

Um den einzigen, zu 16 Jahren Haft Verurteilten Rudy Guede von der Elfenbeinküste wird wenig Aufhebens gemacht. Er macht ein Fernstudium in Geschichte und bezichtigte in einem TV-Interview 2016 Amanda Knox der Tat.

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