1978: Das Jahr der drei Päpste
Von Georg Markus
Es war nicht das erste Mal, dass der Vatikan innerhalb eines Jahres von drei Päpsten regiert wurde. Doch im Allgemeinen sind derartige Ereignisse aus dem finsteren Mittelalter überliefert, als Todesumstände noch problemlos verschleiert werden konnten. Im 20. Jahrhundert steht 1978 einzigartig da, zumal es in der jüngeren Kirchengeschichte nur in diesem Jahr drei Päpste gab. Das Sterben der Stellvertreter Christi begann am 6. August 1978 mit dem Tod Pauls VI. Kurz danach wurde Kardinal Albino Luciani zu seinem Nachfolger gewählt, der schnell die Herzen vieler Menschen gewann. Doch Johannes Paul I., wie er sich nannte, starb nach nur 33 Tagen. Die Vatikan-Behörden trugen viel dazu bei, dass die Gerüchte nie verstummen wollten, er sei vergiftet worden. Nach dem Schock um das unerwartete Ableben des Papstes trat das Konzil noch einmal zusammen und traf eine Entscheidung von historischer Dimension. Mit dem polnischen Kardinal Karol Wojtyla wurde zum ersten Mal seit 455 Jahren ein Nichtitaliener zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt.
Der Tod Papst Pauls VI.
Als Papst Paul VI. am 26. September 1977 mit einem Festgottesdienst seinen 80. Geburtstag feierte, konnte man in der TV-Übertragung weltweit seinen gesundheitlichen Verfall erkennen. Bei jedem Schritt durch den Petersdom musste der an einer schweren Arthrose leidende Pontifex gestützt werden. Paul VI. war der erste Papst, dem die Welt beim Sterben förmlich zusehen konnte. Er erlag am 6. August 1978 in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo nach 15-jährigem Pontifikat „plötzlich, aber nicht überraschend“ einem Herzinfarkt.
Am 25. August 1978 trat das Konklave zusammen und wählte Albino Luciani, den 65-jährigen Patriarchen von Venedig, zu seinem Nachfolger. Die Welt war begeistert, nach dem eher trockenen und ernsten Paul VI. einen heiteren Papst zu erleben. Und Johannes Paul I. stürzte sich sofort in die Arbeit, zu der für ihn vorrangig die Aufklärung dubioser Vorgänge in der Vatikanbank gehörte.
Nur 33 Tage lang Papst
Als er nach nur 33-tägigem Pontifikat im Schlaf starb, gab die Pressestelle des Vatikans unterschiedliche Versionen des Todes bekannt. Vorerst hieß es, der Papst sei am Abend des 28. September 1978 um 23 Uhr einer Herzschwäche erlegenen, dann verlautete, der Tod habe ihn erst in den Morgenstunden ereilt. Einer Nachricht zufolge fand ihn eine Nonne in seinem Schlafzimmer reglos im Bett sitzend auf, laut einer anderen sei der Leichnam von seinem Privatsekretär entdeckt worden. Die Schuhe des Papstes fehlten ebenso wie die Brille und die Papiere, die der Pontifex im Bett sitzend studiert hatte.
Verwirrende Angaben
Die verwirrenden Angaben lösten Spekulationen und bald auch Verschwörungstheorien aus, die mehrere Bücher füllten und darin gipfelten, dass Johannes Paul I. einem Komplott von Mafia-Mitgliedern und hochrangigen Mitarbeitern der Vatikanbank zum Opfer gefallen sei. Der Grund für das Attentat war schnell gefunden: Der Papst hatte den umstrittenen Erzbischof Marcinkus seines Amtes entheben und die Drogen- und Waffengeschäfte des Vatikans stoppen wollen.
Am 14. Oktober 1978 trat das Konklave zum zweiten Mal in diesem Jahr zusammen. Noch ehe die Kardinäle daran gingen, einen neuen Papst zu wählen, mussten sie darüber abstimmen, ob der Leichnam Johannes Pauls I. obduziert werden sollte oder nicht. Sie entschieden sich dagegen. „Entweder“, mutmaßten nun Vatikan-Experten, „weil die Kurie nicht zugeben wollte, einen todkranken Kandidaten gewählt zu haben. Oder weil ein Mord den Ruf des Kirchenstaates vollends zerstört hätte“, wie die Anhänger der Verschwörungstheorien vermuteten.
Ich hatte Jahre danach Gelegenheit, Kardinal König, der an beiden Konklaven des „Dreipäpstejahres“ 1978 teilnahm, zu fragen, ob die Entscheidung gegen die Autopsie ein Fehler gewesen sei. „Intern war der Sachverhalt klar, dass der Papst an Herzversagen starb“, antwortete König ganz offen. „Aber sicher kann man geteilter Meinung sein, ob wir da richtig entschieden haben“.
Offenes Geheimnis
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der damals 73-jährige Kardinal König in beiden Konklaven zu den aussichtsreichsten Kandidaten zählte. Natürlich fragte ich ihn bei dem erwähnten Gespräch auch danach. „Sie wissen ja, dass ich von den Vorgängen im Konklave nicht reden darf“, sagte der Kardinal. „Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass ich’s angenommen hätte“.
Der „eilige Vater“
König stritt nicht ab, dass er sich bereits vor Beginn des Konklaves – und über diesen Zeitraum durfte er sprechen – für den Kardinal von Krakau eingesetzt hatte. Und eben dieser Karol Wojtyla wurde im 8. Wahlgang von 99 der 111 Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle zum Papst gewählt. Sein Pontifikat zählte dann mit 26 Jahren zu den längsten in der Kirchengeschichte.
Es ist unbestritten, dass die Reisen des „eiligen Vaters“ in die kommunistisch regierten Länder den Anfang vom Ende der Sowjetunion einleiteten. Michail Gorbatschow schrieb in seinen Memoiren, dass die Geschehnisse in Osteuropa ohne Johannes Paul II. nicht möglich gewesen wären.
Doch Kardinal König hat in seinen letzten Lebensjahren mehreren Vertrauten gegenüber auch ausgesprochen, dass er von Johannes Paul II., den er einst favorisierte, bitter enttäuscht war, da er Hans Hermann Groër zu seinem Nachfolger als Erzbischof von Wien bestellt hatte.