15 Millionen Jahresgehalt waren Nissan-Chef Ghosn nicht genug
Von Susanne Bobek
Für den Renault-Nissan-Mitsubishi-Chef Carlos Ghosn, der die Firmenkassen von Nissan um 40 Millionen Euro geplündert haben soll, wird es eng. Am Mittwoch entschied ein Bezirksgericht in Tokio auf Antrag der Ermittler, dass der Supermanager zunächst für weitere zehn Tage in Haft bleiben muss. Auch sein mutmaßlicher Komplize und ebenfalls verhaftete Nissan-Direktor Greg Kelly bleibt weiter in Haft.
Wozu braucht ein Manager, der 15 Millionen Euro im Jahr verdient und dessen Privatvermögen auf 100 Millionen geschätzt wird, zusätzlich 40 Millionen?
Ein Narziss
Ghosns Exfrau Rita und Mutter seiner vier erwachsenen Kinder zog nach 27 Jahren Ehe grausame Bilanz: Sie teilte nach der Verhaftung ihres Ex mit: „Alle Narzissten sind Heuchler, die vorgeben, moralische Werte zu haben, die sie aber nicht haben.“ Der Manager mit französischem, libanesischem und brasilianischem Pass hat vor zwei Jahren ein zweites Mal geheiratet. Erklärt das seine grenzenlose Gier?
Der 64-jährige maronitische Christ, der in Brasilien geboren wurde, aber seine Schulzeit in der Heimat seiner Eltern in Beirut unter anderem auf einem Jesuiten-Gymnasium verbrachte und dann in Frankreich studierte, dürfte sich mit seiner selbstherrlichen Art in Japan mächtige Feinde gemacht haben. In seinem Fall ist ein leitender Manager der Rechtsabteilung von Nissan, ebenfalls ein Ausländer, der Kronzeuge. Er machte die vier Buchprüfer von Nissan auf Ghosns Übergriffe aufmerksam und die schalteten dann die Strafbehörden ein. Ghosn schöpfte keinen Verdacht. Im japanischen Fernsehen NHK erklärte ein Insider, Ghosn habe interne Kritiker normalerweise sofort rausgeschmissen. Im Vorstand habe es niemand gewagt, ihm zu widersprechen.
Doch als Ghosn am Montag mit seinem Dienstflugzeug, einer Gulfstream G650, am Flughafen Tokio-Haneda landete, warteten bereits Staatsanwälte, die den Manager drei Stunden im Flugzeug verhörten. Zur gleichen Zeit fanden an zwei Firmenstandorten von Nissan Hausdurchsuchungen statt.
Teurer Kostenkiller
Bei Renault in Frankreich musste der Top-Manager nach heftigen Debatten über die Höhe seines Gehalts Einbußen von 30 Prozent akzeptieren. Aber das kompensierte der Mann, für den die Unschuldsvermutung gilt, offenbar geschickt über Nissan. Luxuswohnungen in Beirut, Rio de Janeiro und Amsterdam wurden auf Konzernkosten gekauft, renoviert und in Schuss gehalten. Auch die Spesenrechnungen des sonst so brutalen Sanierers, der bei Nissan 20.000 Menschen ab dem Jahr 2000 rausgeworfen hat, sollen es in sich haben. Ein „teurer Kostenkiller“, mokieren sich Japaner. Das benachbarte China vermutet überhaupt einen Putsch gegen Ghosn, weil Stellenreduktionen gegen das japanische Ehrgefühl verstoßen.
Um den Schaden für Renault-Nissan und Mitsubishi möglichst klein zu halten, trafen sich am Mittwoch der japanische und der französische Wirtschaftsminister in Paris. Als 15-prozentiger Renault-Eigner pocht die französische Regierung auf eine schnelle Ablösung von Ghosn. Bis auf Weiteres soll ihn Thierry Bolloré kommissarisch als Chef ersetzen. Seines Postens bei Nissan soll Ghosn, der am liebsten im Flugzeug schläft, am Donnerstag, enthoben werden.