Chronik/Welt

1. Mai international: Tränengas in Paris, Festnahmen in Istanbul

Am Rande einer Gewerkschaftskundgebung zum 1. Mai ist es in Paris zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei setzte im Süden der Hauptstadt Tränengas gegen gewalttätige Demonstranten ein, wie der Nachrichtensender BFMTV am Mittwoch berichtete. Allein in Paris seien mindestens 249 Menschen vorläufig festgenommen worden.

In ganz Frankreich nahmen mindestens 151.000 Menschen an Demonstrationen teil. Davon entfielen 16.000 auf Paris, wie BFMTV unter Berufung auf die Behörden berichtete.

Auf Fernsehbildern waren zahlreiche Anhänger der "Gelbwesten" bei der Pariser Kundgebung zu sehen. Die "Gelbwesten" protestieren seit November gegen die Reformpolitik von Präsident Emmanuel Macron. Bei den Protesten von Anhängern der "Gelbwesten" war es in den vergangenen Monaten in der Hauptstadt immer wieder zu Ausschreitungen gekommen. Deswegen sind einige Bereiche wie die Prachtstraße Champs-Élysées für Demonstrationen gesperrt.

Mehr als hundert Festnahmen in Istanbul

Bei Protesten zum Tag der Arbeit sind in Istanbul mehr als 120 Menschen festgenommen worden. Sie hatten versucht, trotz eines Demonstrationsverbots auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Der Platz war weiträumig abgesperrt. Demonstranten wurden an mehreren Orten der Innenstadt von der Polizei mit Gewalt gepackt und in Bussen fortgebracht.

Die offizielle Kundgebung zum 1. Mai fand am Nachmittag im Bezirk Bakirköy statt, doch auf dem Taksim-Platz waren Proteste wie in den vergangenen Jahren verboten. Der symbolträchtige Platz und die angrenzende Istiklal-Straße waren mit Barrikaden abgesperrt, und Polizisten sicherten mit Panzerwagen und Wasserwerfern die Zugänge in den Nebenstraßen. Die gewöhnlich stark belebte Einkaufsstraße war komplett verlassen.

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Die politische Situation in der Bosporus-Metropole ist dieses Jahr besonders angespannt: Nach dem Wahlsieg des Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu bei der Bürgermeisterwahl am 31. März hat die regierende AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan die Annullierung und Wiederholung des Urnengangs gefordert. Die Wahlkommission soll am kommenden Montag über den Antrag auf Neuwahlen entscheiden.

Zudem kämpft die Türkei seit Monaten mit einer Wirtschaftskrise. Gerade in den großen Städten wie Ankara und Istanbul leiden die Einwohner unter dem starken Anstieg der Lebenshaltungskosten. Teilnehmer der Kundgebung in Bakirköy zeigten sich besorgt über die hohe Inflation und steigende Arbeitslosigkeit. "Die Leute können nicht länger vom Mindestlohn leben. Dies ist eine sehr schwierige Zeit", sagte die Demonstrantin Selma Ergün.
 

St. Petersburg: Dutzende Oppositionelle festgenommen

Bei regierungskritischen Protesten sind in der russischen Stadt St. Petersburg dutzende Oppositionelle festgenommen worden. Etwa 2.000 Menschen versammelten sich dort am Mittwoch, um ihrer Unzufriedenheit mit der Regierung Luft zu machen. Gemeinsam skandierten sie Parolen wie "Putin ist ein Dieb" und "Das ist unsere Stadt".

Unter den Demonstranten waren auch Unterstützer des prominenten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Nach Erkenntnissen der Bürgerrechtsorganisation OVD-Info nahm die Polizei in der zweitgrößten Stadt Russlands mehr als 30 Menschen fest, darunter viele, die Slogans gegen Putin gerufen hatten.

"Sie beschützen Putin, den Banditen", sagte die 70-jährige Demonstrantin Galina Onischtschenko und zeigte auf Fahrzeuge zum Abtransport von Festgenommenen. Die Demonstranten riefen auch "Faschisten" oder "Ihr jagt uns keine Angst ein".

Der 1. Mai wird in Russland traditionell mit Kundgebungen und Demonstrationen begangen. Parallel zu den Kremlkritikern waren auch tausende Anhänger der Regierungspartei Einiges Russland, der Kommunisten und anderer Gruppierungen in St. Petersburg unterwegs.

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der russischen Regierung hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Dazu trugen unter anderem eine Erhöhung des Pensionsalters und der sinkende Lebensstandard nach mehreren westlichen Sanktionsrunden bei.

Auch die Beliebtheitswerte von Präsident Putin waren zuletzt gesunken. Im März unterzeichnete er ein Gesetz, das es Gerichten erlaubt, wegen fehlenden Respekts gegenüber der Obrigkeit Geld- oder kurze Haftstrafen zu verhängen.

Fünf Sterne wollen Mindestlohn in Italien einführen

Am 1. Mai startet Italiens regierende Fünf Sterne-Bewegung eine Offensive für die Einführung eines Mindestlohns in Italien. Die Partei drängt auf 9 Euro brutto pro Stunde. "Ich hoffe, heute ist der letzte 1. Mai ohne Mindestlohn in Italien", sagte Fünf Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio in einem Radiointerview am Mittwoch.

Die Einführung eines gesetzlich verankerten Mindestlohns ist für die seit Juni in Italien regierende Fünf-Sterne-Bewegung die Fortsetzung ihrer Reform des Arbeitsmarkts, die im September mit Einschränkungen bei befristeten Arbeitsverträgen begonnen hatte.

Gegen die Einführung des Mindestlohns wehren sich Gewerkschaften und Industrielle. Die Arbeitnehmerverbände meinen, ein Mindestlohn würde die Verhandlungen für Kollektivverträge bremsen. Die Industriellenverbände meinen, dass in einer Phase der Rezession ein Mindestlohn von neun Euro für Unternehmen unzumutbar sei.

Di Maio, der in der Regierung auch das Amt des Arbeitsministers bekleidet, erklärte, dass sich die Regierungskoalition nach den EU-Parlamentswahlen auch um eine Senkung der Lohnnebenkosten und des Steuerdrucks kümmern werde. Die rechte Lega um Innenminister Matteo Salvini drängt seit Monaten auf die Einführung einer Einheitssteuer von 15 Prozent für Einkommen unter 50.000 Euro.

Di Maio begrüßte die am Dienstag veröffentlichten Wirtschaftsdaten, aus denen hervorgeht, dass sich Italien aus der Rezession befreit hat. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von Jänner bis März um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Experten hatten lediglich mit einem Plus von 0,1 Prozent gerechnet, nachdem es in den beiden Vorquartalen jeweils einen Rückgang um 0,1 Prozent gegeben hatte. Mindestens zwei Minus-Quartale in Folge werden als Rezession bezeichnet.

Di Maio betonte, die Regierung müsse sich noch mehr anstrengen, um stabile Jobs zu schaffen. "Beschäftigung ist die Priorität unserer Regierung und der wahre Notstand in Italien", so der Vizepremier.