Chronik

Schulbeginn überfordert Zehntausende Familien finanziell

Havva hat drei Kinder. Der Schulanfang bedeutet Stress für sie: "All die Sachen zu kaufen, die da benötigt werden, ist wahnsinnig teuer." Alleine kann sie die Kosten nicht stemmen. "Das Geld hat für alles gefehlt. Ich konnte mir nicht einmal die Einbände für die Hefte leisten", erzählt die Mutter. Sie hat sich in der Schule vor den Lehrern geschämt und sich nicht getraut zu sagen, dass sie das Geld nicht hat.

Havva, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist mit ihrem finanziellen Stress zu Schulbeginn nicht alleine. 119.000 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren sind armutsgefährdet, das ist jedes sechste Kind. "Der Schulbeginn stellt für von Armut betroffene Familien eine große Belastung dar", sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. Derzeit lebt Havva in einer Einrichtung der Caritas, wo sie bei den Besorgungen durch Spenden unterstützt wird.

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Früher war das Schlimmste für sie, wenn die Turnpatschen zerrissen sind: "Bei drei Kindern kommt das irgendwie ständig vor. Dann hab ich immer geheult. Meinen Kindern hab ich erklärt, dass sie in Socken turnen müssen, weil ich mir keine neuen leisten kann. Das war peinlich für sie." Die Einträge im Mitteilungsheft summierten sich deswegen. Irgendwann sprach Havva dann doch mit der Lehrerin – und erntete Verständnis.

Denn: Für ein Volksschulkind fallen im günstigsten Fall 63 Euro zum Schulbeginn an, im teuersten 102 Euro. Eine Sekundarstufe kommt noch einmal deutlich teurer. Hier gehen mindestens 94 Euro für die Besorgungen drauf, in manchen Fällen bis zu 160 Euro (siehe Grafik). Zu den herkömmlichen Schulartikel kommen auf die Eltern mit Schulbeginn auch noch andere Kosten zu. Die Öffi-Tickets für das kommende Jahr müssen gekauft werden, genauso wie viele ihre Kinder für eine Nachmittagsbetreuung oder einen Hort anmelden.

Besonders in den ersten Schultagen fallen für Eltern noch diverse Kosten wie Kopiergeld oder ein Betrag für die Klassenkassa an, das sind oft noch einmal 100 Euro zusätzlich. Findet ein Skikurs oder eine Auslandsreise statt, so müssen auch diese Zahlungen oft schon zu Schulbeginn zur Seite gelegt werden.

Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat einige Ratschläge veröffentlicht, mit deren Hilfe die Kosten gering gehalten werden können. Der beste Weg, um günstig Schulartikel einzukaufen, sei der Preisvergleich. Oftmals zahlt es sich aus, zu mehreren Geschäften zu fahren, um jeweils das preiswerteste Produkt zu erhalten. Eine andere Möglichkeit sind Einkaufsgemeinschaften, bei denen sich mehrere Leute zusammen durch den Erwerb von größeren Mengen einen Preisnachlass sichern.

Unterstützungen

Beim Sozialministerium gibt es für Kinder, die in Familien leben, die Mindestsicherung beziehen, das "Schulstartpaket" mit Gratisschulartikeln. Es kann dabei aus elf verschiedenen Paketen mit Utensilien von Schultaschen bis Stiften ausgewählt werden. Je nach Bundesland gibt es auch hier zusätzliche Angebote. In Wien bekommen Pflichtschulen von der Stadt zum Beispiel Geld für den sogenannten "Warenkorb", um Schulmaterialien anzuschaffen. "Am geschicktesten ist es, sich direkt bei der Schulleitung oder Gemeinde zu erkundigen, welche Unterstützungen es gibt", sagt Andreas Ehlers vom Elterverein-Verband. "Prinzipiell muss der Besuch einer Pflichtschule laut Gesetz kostenfrei sein. Wir setzen uns daher gegen ausufernde Schulnebenkosten ein", ergänzt er.

Er verwehrt sich vor allem gegen teure Projektwochen. "Der Elternverein kann hier nur in Notfällen die Familien unterstützen, etwa wenn ein Elternteil gestorben ist." Förderungen für Projektwochen für armutsgefährdete Familien kann es unter bestimmten Voraussetzungen aber vom Bildungsministerium geben.

(Mitarabeit: Maria Teresa Hohenblum)