Eine Krankheit, die Distanz schafft
Ich höre meinen Namen, immer und immer wieder. Die Stimme trägt mir böse Dinge auf. Ich sehe Fotos von mir neben bizarren Schlagzeilen in der Zeitung und im Fernsehen. Menschen, die mich anlächeln, werden zu Fratzen. Im sogenannten "Schizo-Bus", der diese Woche im Wagner-Jauregg-Krankenhaus Station machte, konnte man mittels Simulationen rund vier Minuten ansatzweise nachempfinden, wie ein Schizophrenie-Kranker einen psychotischen Schub erlebt. "Mit diesem Projekt wollen wir ein Stigma abbauen und Verständnis dafür schaffen, wie belastend ganz normale Alltagssituationen für einen Erkrankten sein können", erläutert Initiator Roman Fleischhackl vom Pharmaunternehmen Janssen.
Menschen haben Angst
Rund 80.000 Menschen sind in Österreich von Schizophrenie betroffen. "Gut 20 Prozent unserer Patienten haben eine der vielen Ausprägungen dieser Krankheit", erläutert Primar Hans Rittmannsberger, Leiter der Psychiatrie I im Linzer Wagner-Jauregg. Auch für Rittmannsberger ist die Schizophrenie von einem Stigma belastet. "Wenn sich jemand den Fuß bricht, hat er kein Problem damit, das anderen mitzuteilen. Er bekommt unser Mitgefühl. Bei psychotischen Erkrankungen reagieren die Menschen anders, weil sie Angst haben." Das öffentliche Bild vom Schizophrenen sei oft fälschlicherweise geprägt vom wahnsinnigen Mörder in den Medien oder in Krimiserien, was aber nicht den Tatsachen entspricht. "Es ist eine Krankheit, wie jede andere auch und man kann sie zum Teil gut behandeln." Während eines psychotischen Schubes haben Erkrankte eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Die Gedanken geraten durcheinander, hinzukommen Wahnideen und Halluzinationen.
Leid und Entfremdung
"Wenn jemand in seinem Wahn glaubt, dass ihn Marsmenschen bestrahlen, dann kann man ihn nicht durch Argumente vom Gegenteil überzeugen", erklärt Rittmannsberger. Betroffene hören meist negative Stimmen, die ihnen Vorwürfe machen oder sie anleiten, Dinge zu tun, die ihnen Schaden. Gleichzeitig nehmen sie einen Überfluss an Reizen wahr, mit denen sie nicht mehr umgehen können. Die Folgen sind extreme Unsicherheit, Leid und Entfremdung.
Es sei leider sehr schwierig die Betroffenen in Behandlung zu bringen. Einerseits, weil sich die Menschen in ihrem Wahn ihrer Erkrankung gar nicht bewusst sind – sie denken mit den anderen stimmt etwas nicht. Andererseits ist es der Stempel der Gesellschaft, wegen dem sich die Betroffenen gegen die Diagnose wehren und sie zu verheimlichen versuchen. "Deshalb schafft die Krankheit immer Distanz", meint der Experte. Männer und Frauen sind von der Krankheit gleich häufig betroffen. Meist sind die Betroffenen zwischen 15 und 30 Jahre alt. Laut Rittmannsberger gibt es eine biologische Anlage. "Mit einem traumatischen Ereignis oder Stress kann sich die Krankheit manifestieren." Eine begleitende Soziotherapie mit unterstützten Wohnmöglichkeiten oder geschützten Arbeitsplätzen ist dabei mindestens so wichtig wie die medikamentöse Behandlung. Rund die Hälfte der Patienten kann mit Therapie ein normales Leben führen.