Chronik

"Privatsheriffs" wollen Staat auflösen

"So etwas ist noch nicht da gewesen", sagt ein Polizeioffizier nach dem Einsatz, bei dem am Montag 60 Polizeibeamte einen Bauernhof im Waldviertel, NÖ, geräumt und 40 von 250 Personen einer sektenähnlichen Organisation vorübergehend festgenommen hatten. Dabei wurden zwei Beamte durch Gegenwehr verletzt. Bei der Hausdurchsuchung in Hollenbach fand sich eine legal besessene Faustfeuerwaffe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen mehrere Personen wegen versuchter schwerer Nötigung, beharrlicher Verfolgung und versuchter Anstiftung zum Amtsmissbrauch.

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Der Hintergrund der polizeilichen Aktion: Mitglieder der selbst ernannten Bürgerorganisation "International Common Law Court of Justice" (ICLCJ) bzw. "One People’s Public Trust" (OPPT) hatten einen "Haftbefehl" gegen eine Waldviertler Rechtsanwältin ausgestellt und im Internet angekündigt, einen "Prozess" gegen die Juristin führen zu wollen. Sie ist Sachwalterin einer Frau, die der international agierenden Gruppe angehört. "Wir wollten die Sachwalterin einladen, sich dem Verfahren zu stellen und den Schaden, den sie durch abgeschalteten Strom und anderes angerichtet hat, wieder gut zu machen. Es gibt keine Gewalt und keine Strafen", betont "Souvereign Markus" als Pressesprecher der Gruppe, die sich im betreffenden Bauernhof aufhält. Er verwehrt sich gegen den Begriff "Sekte". Für die Gruppe sei die Staatsmacht nicht gültig, weil sie zum Beispiel "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen habe.

Zulauf?

Die Beteiligten rechnen mit so vielen Sympatisanten, dass sie nichts zu befürchten haben. Die Mitglieder des "Common Law"-Gericht würden eigene "Sheriffs" ernennen, die Haftbefehle überbringen. Die seien nicht mit Repressionen verknüpft, sondern an das Gewissen der Betroffenen gerichtet.

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Der "Angriff" auf die Staatsmacht begann vor mehreren Tagen. Da hatten sich zwei vermeintliche Mitglieder der "Common Law"-Organisation bei der Polizei in Waidhofen an der Thaya und Dobersberg mit eigenen Ausweisen vorgestellt und, wie ein Film auf der Videoplattform Youtube zeigt, einen Haftbefehl gegen die Juristin vorgelegt. Gleichzeitig haben sie Haftbefehle gegen die gesamte österreichische Politspitze ausgestellt und auf einer Webseite publiziert. "Wir wollen die Macht wieder in die Dörfer zurückbekommen. Nur in kleinen Einheiten ist Demokratie möglich", schildert Gerhard Schneider, Sympathisant aus Salzburg, der unter den 40 vorübergehend festgenommenen Personen war.

Eine Person sitzt weiterhin in U-Haft. Sie habe zugegeben, der Sachwalterin die Vorladung zur Gerichtsverhandlung überbracht zu haben. "Die Identität des mutmaßlichen Anführers mit der Muttersprache Englisch konnte noch nicht festgestellt werden", erklärt Staatsanwalt Franz Hütter.

Ein spektakulärer Polizeieinsatz schreckte Montagfrüh die Bewohner der kleinen Waldviertler Ortschaft Hollenbach im Bezirk Waidhofen/Thaya auf: Rund 40 Einsatzkräfte umstellten einen Bauernhof und überprüften die Personalien von rund 200 Personen, 40 sollen fest genommen worden sein. Hintergrund: Eine als sektenähnlich beschriebene Organisation hatte im Internet angekündigt, einen „Prozess“ gegen eine Rechtsanwältin zu führen und das eigene Recht sprechen zu lassen. Die Juristin steht unter Polizeischutz.

Polizei und Staatsanwaltschaft hielten sich am Montag bedeckt. Seit etwa zwei Wochen hält sich eine größere Zahl von Personen auf dem Hof auf. Sie dürften zu einer Organisation namens „One People’s Public Trust“ (OPPT) gehören und unterstützen anscheinend eine auf dem Hof lebende, besachwaltete Frau gegen die Sachwalterin, eine Waldviertler Rechtsanwältin.

"Gerichtsverhandlung"

Die Gruppe hatte im Internet ein „Wiesenfest“ und gemeinsam damit die so genannte „Gerichtsverhandlung“ gegen die Sachwalterin angekündigt. Die Bezirkshauptmannschaft untersagte daraufhin die Veranstaltung. Bei einer Amtshandlung vor drei Tagen dürften die OPPT-Mitglieder den Beamten ihre Weltsicht erklärt haben, wonach sie den Staat nicht als Autorität anerkennen. „Der Staat Österreich ist eine Firma“, steht beispielsweise auf einem der Transparente, die die Menschen aufgestellt haben. Deshalb dürften die Betroffenen auch keine gültigen Papiere bei sich tragen.

Verfassungsschützer Roland Scherscher bezeichnet die Situation vor Ort als undurchsichtig. „Das ist eine neue Bewegung zumindest in Niederösterreich, die man noch nicht einstufen kann. Jedenfalls erkennen sie keine staatliche Organisation an, die Mitglieder sehen sich als ‘souverän‘“, sagt er.