Chronik/Österreich

Zwei schwere Bahnunfälle, gleiche Ursache?

Ein durchaus wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen den beiden schweren Zugsunfällen in Niklasdorf (Steiermark, am Montag) und in Kritzendorf (Niederösterreich, kurz vor Weihnachten) mit insgesamt einer Toten und 41 Verletzten sorgt nun für Unruhe innerhalb der Bahngemeinde. In beiden Fällen dürfte der Triebfahrzeugführer eines der nagelneuen Cityjets ein Haltesignal übersehen haben. Im Fall Niklasdorf bestätigt das auch ein erster interner ÖBB-Bericht, der dem KURIER zugespielt wurde (siehe Faksimile).

In beiden Fällen laufen die Untersuchungen der Ermittler noch, offiziell wird betont, dass die Ursache jeweils ungeklärt ist. In Kritzendorf soll der Cityjet vor dem Zusammenstoß drei Haltesignale übersehen haben, in der Steiermark fuhr er ebenfalls einfach aus dem Bahnhof – obwohl zumindest ein Haltesignal auf Stopp stand.

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Im aktuellen Fall beschlagnahmten die Ermittler des Landeskriminalamts Steiermark jedenfalls nun erstmals die Mobiltelefone aller Beteiligten. Der Triebfahrzeugführer des Eurocity sowie jener des Cityjets – beide Österreicher und ÖBB-Mitarbeiter – mussten ihr Dienst- sowie ihr Privathandy abliefern. Diese werden nun von der Polizei analysiert, eine Premiere bei derartigen Unfällen. Das Verhör mit dem Cityjet-Lokführer wird aber ausfallen, es wird nur eine schriftliche Stellungnahme von ihm geben.

Der fast idente Unfallhergang könnte jedenfalls den nagelneuen Cityjet in Verruf bringen. Die Frage, die in den nächsten Monaten geklärt werden soll, ist, ob es tatsächlich nur ein Zufall war, dass es gleich zwei solcher Unfälle mit dem neuen Prestigezug gab.

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"Die Anzahl von Signalüberfahrungen steigen europaweit an. Grund dafür ist die permanente Überfrachtung von Lokführern mit Zusatzarbeiten", kritisiert vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. "Die Leistungskapazität jedes Menschen ist begrenzt. Vor allem in Arbeitsbereichen in denen es um die Sicherheit geht, in denen die gesamte Aufmerksamkeit keine Sekunde durch etwas anderes beeinträchtigt werden darf, dürfen Menschen nicht mit Zusatztätigkeiten überlastet werden", betont Hebenstreit. "Lokführer sollten sich nur auf das Führen der Züge konzentrieren müssen. Dazu hageln Meldungen via Zugfunk, Anweisungen über Diensthandys und -tablets, sowie Notrufe aus dem Fahrgastraum und Meldungen der Fahrzeugtechnik zugleich auf sie ein."

Einsparungen

Ein weiterer Grund für die zunehmenden Überfahrungen von Signalen könnte jedenfalls außerdem die Einsparung von Zugbegleitern sein. Früher kontrollierten diese etwa vor Fahrtantritt meist auch, ob alle Signale auf Grün standen – erst dann gab es eine Zugsfreigabe. Der Lokführer kontrollierte dies anschließend und fuhr los.

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Züge wie der Cityjet haben aber mittlerweile keinen Zugbegleiter mehr an Bord, der Triebfahrzeugführer ist eigenverantwortlich und das Vier-Augen-Prinzip abgeschafft. Gerhard Tauchner, Vorsitzender der vida-Lokführerplattform fordert eine sofortige Evaluierung des Lokführerarbeitsplatzes und die Schaffung eines zeitgemäßen Berufsbildes. "Die physische und psychische Belastung wurde mit steigendem Kostendruck und zunehmender Digitalisierung immer höher. Nicht nur bei der Überfrachtung der Lokführer mit Zusatztätigkeiten wurde schon längst weit über das Ziel hinausgeschossen."