Chronik/Österreich

Wolf und Bär gefährden Alm-Bewirtschaftung

Durch Kärnten streifen fünf bis zehn Braunbären sowie ein – per DNA nachgewiesener – Wolf. Wenn also Grund zur Panik bestünde, dann wohl eher durch die Bären, möchte man meinen. Weit gefehlt, denn Almbauern, Landwirtschaftskammer und selbst das Land sehen primär durch Wölfe die Bewirtschaftung der Kärntner Almen in Gefahr – und damit in Verbindung stehend einen boomenden Tourismuszweig.

47.000 Stück Vieh wurden noch vor acht Jahren auf die 1800 Kärntner Almen getrieben, heuer werden es laut Schätzungen des Almwirtschaftsvereins 42.000 sein. Zahlreiche Almen sind schon nicht mehr bewirtschaftet, heißt es. Dieser Umstand hatte in den vergangenen Jahren mit den zunehmenden Rissen durch Bären zu tun (angezeigt wurden 40 im Jahr 2017, das Land bot aber bisher nur Kulanzzahlungen). Es liegt aber auch an den steigenden Wolfs-Sichtungen.

Aktuell gibt es die vermehrt im Oberkärntner Raum an der Grenze zu Salzburg, wo das Problem ja ebenfalls evident ist. „Und das macht den Kärntner Almbauern mehr Sorgen, als die bestehenden Bären-Individuen; deren Population ist konstant, aber die Vermehrungsrate beim Wolf immens groß“, sagt Josef Obweger, Obmann der Almbauern.

Gestresste Tiere

Zahlreiche Almen, auf denen einst 1000 Schafe grasten, würden schon leer stehen. „ Almbauern wissen bereits im Frühling, dass einige Stück Vieh dem Großraubwild zum Opfer fallen werden. Die übrigen Tiere sind durch die ständige Anwesenheit von Wolf und Bär einer großen Stressbelastung ausgesetzt. Bevor Almbauern Zäune errichten oder Hirten einstellen, beenden sie die Almbewirtschaftung.“

Mit verheerenden Folgen, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Johann Mößler. Auf den Almen herrsche die Gefahr der Verbuschung, die Waldgrenze würde ansteigen, das ausschließlich im Tal gezüchtete Vieh geringere Qualität aufweisen und weniger Erlös bringen. „Und wenn wir die Geschichte fertig denken, werden durch die Nicht-Bewirtschaftung der Almen Unwetter im Tal größere Schäden anrichten“, erklärt Mößler.

Touristiker Hubert Reiner glaubt, dass außerdem ein boomender Tourismus-Zweig in Gefahr ist. „Letztendlich hängen auch 400 Almbetriebe, 192 Almhütten, die Sennereien und Käsereien dran. Bär und Wolf bringen diese Institutionen in Gefahr.“

200.000 Euro im Topf

Hier knüpft auch Agrarreferent Martin Gruber ( ÖVP) an. „Wenn sich Wolfs-Populationen verändern, muss man auch an den Tourismus denken. Ich will nicht in der Zeitung lesen, dass einem Wanderer etwas passiert ist und wir keinen Plan gehabt haben“, betont er. Gruber will Almen zu „wolfsfreien Zonen“ erklären. Was der Erlaubnis zur Bejagung gleichkäme, aber nur im Konzert mit anderen Bundesländern und der EU mittels Herabsetzung des Schutzstatus möglich ist. Inzwischen richte er einen Wildschadensfonds ein, erklärt Gruber – und dotiert ihn vorsorglich gleich mit 200.000 Euro.

Hunde sollen Herden schützen

Nach mehr als 20 Nutztierrissen im Salzburger Pongau – in mehreren Fällen wurde ein Wolf mittels DNA-Test nachgewiesen – ist indes dort eine Diskussion entbrannt, ob und wie sich die Rückkehr der Raubtiere mit der Landwirtschaft verträgt. Der Naturschutzbund will zwischen Interessenvertretern aus Landwirtschaft, Tourismus und Jägerschaftvermitteln und hat dazu ein „Dialogforum Wolf“ gestartet.  Einigkeit herrschte darüber, dass ein „konfliktarmes Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf“ nur möglich sei, wenn freilaufende Herdentiere geschützt würden.
„Ohne Schutzmaßnahmen wird es dann keine Nutztierhaltung im Freiland mehr geben. Je nach Gegebenheit wird man mit verschiedenen Möglichkeiten wie Schutzzäunen, Nachtpferchen, Behirtung oder dem Einsatz von Herdenschutzhunden arbeiten müssen“, sagt Georg Höllbacher, Leiter der Nationalen Beratungsstelle Herdenschutz. Der Landwirt aus Bad Vigaun (Tennengau) hält bereits sogenannte Maremmano-Abruzzen-Schäferhunde. Obwohl Pilotprojekte mit den Tieren in Osttirol und mit Zäunen im Lungau heuer nicht weiterverfolgt wurden, sollen Herdenschutzmaßnahmen unter den Landwirten bald Schule machen. Agrarlandesrat Josef Schwaiger ( ÖVP) hat sich nach den jüngsten Attacken dazu bekannt, derartige Bemühungen künftig aus öffentlichen Mitteln fördern zu wollen.

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