Chronik/Österreich

Wo Wehr-Wölfe wohnen

Der Besuch blieb nicht ohne Wirkung: Rund 30 nö. Landtagsabgeordnete zeigten sich vergangene Woche bei ihrer Visite auf dem 15.700 Hektar großen Truppenübungsplatz (Tüpl) Allentsteig tief beeindruckt.

Die Besichtigung begann bei der Kirche des ehemaligen Ortes Döllersheim (siehe Zusatzbericht), heute eine Aussiedler-Gedenkstätte. Danach fuhren die Besucher an vom Borkenkäfer ausgelösten Kahlschlägen vorbei. „Wir haben 2018 die 200.000-Festmeter-Marke erreicht“, erklärte Kommandant Konstantin Lütgendorf. Seit Jahresbeginn ist hier auch der erste gepanzerte Holzerntezug Österreichs im Einsatz, der auch in durch Blindgänger gefährdeten Gebieten arbeiten kann.

Seine Mannschaft ist entspannt: „Wenn du dich fürchtest, darfst das nicht machen“, erklärt einer der Maschinenführer, die sieben Tage pro Woche im Einsatz sind. Wenn sie arbeiten, muss manchmal aus Sicherheitsgründen nicht nur die Landesstraße gesperrt werden, die den Tüpl quert: Selbst der Notarzthubschrauber muss seine Flugroute ändern, weil Granatsplitter bis zu 600 Meter hoch und weit fliegen können.

Die Kahlschläge haben eine Fläche von 3000 Hektar erreicht. Die will man nutzen, um den zukünftigen Wald nach den Bedürfnissen der übenden Soldaten zu gestalten. Dafür setzt man weitgehend auf sogenannte Naturverjüngung (von selber sprießende Bäume), weil Aufforstung für alle Flächen nicht finanzierbar wäre.

Gleichzeitig sind zwei Drittel der Tüpl-Fläche Natura-2000-Schutzgebiet. „Die wilden Tiere fühlen sich bei uns besonders wohl. Das gilt für 85 geschützte Vogelarten, sowie Biber und Wolf“, sag Lütgendorf.

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Tüpl-Wolfsrudel

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Zwei Elterntiere und mindestens vier Nachkommen bilden derzeit das Übungsplatz-Wolfsrudel. Im Mai rechnet man mit neuem Nachwuchs. „Deshalb sind wir dabei, für die Bejagung ein völlig neues Management zu erstellen“, sagt Christian Schweinburger, Verwalter von etwa 7500 Hektar Forst.

Das Heer betreibt auf nicht verpachteten Flächen selbst eine große Landwirtschaft. Es gibt aber auch fünf Steinbrüche, deren Material für die Befestigung von 170 Kilometer Straßen genutzt werden. Das alles neben der eigentlichen Aufgabe: dem Übungsbetrieb mit 200 Scharfschieß-Tagen jährlich.

Ganzer Stolz der Tüpl-Chefs ist neben Schießbahnen für Panzer und Geschütze sowie dem Lager Kaufholz mit 1500 Betten die international gelobte und genutzte urbane Trainingsanlage. Die Hightech-Anlage in einer nachgebauten Siedlung überwacht jede Bewegung Übender, um Fehler zu erkennen und lässt Kämpfer die akustische Stressbelastung von Angriffen erleben. Trainer können all das auf einem riesigen Bildschirm überwachen.

„Der Truppenübungsplatz ist ein wichtiger Faktor für die Region, der 500 Menschen Arbeit gibt und 100.000 Nächtigungen pro Jahr bringt“, fasst der nö. Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) zusammen.

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Enteignet, ausgesiedelt, vertrieben

Von der  einst 2000 Einwohner zählenden Gemeinde Döllersheim im  Waldviertel existieren heute nur mehr Reste der Kirche, Volksschule, des Pfarrhofs, Wirtshauses und Bürgerspitals.  Im ehemaligen Gotteshaus treffen sich jedes Jahr am 2. November  die letzten Ausgesiedelten und deren Angehörige, um gemeinsam eine Gedenkmesse zu feiern.
Ab Juni 1938 mussten  etwa 7000 Bewohner in insgesamt 42 Ortschaften ihre Heimat verlassen, um die Errichtung eines Truppenübungsplatzes  zwischen Zwettl und Allentsteig für die Deutsche Wehrmacht  zu  ermöglichen. Bürger, die nicht gehen wollten, wurden in Ersatzquartiere gesteckt. Nicht alle bekamen Entschädigungen ausbezahlt.   Weil eine Rückbesiedelung nach dem Zweiten Weltkrieg zu teuer gekommen wäre,  ging das militärische Sperrgebiet  dank eines neuen Gesetzes im Jahr  1957 ins Eigentum der Republik Österreich über.  Seither wird das rund 160 Quadratkilometer große Gelände vom österreichischen Bundesheer für Schießübungen genutzt. Landwirtschaftliche   und vor allem minenfreie Flächen an den Rändern des Areals sind an Bauern verpachtet.
Vor sieben Jahren fürchteten Landwirte erneut eine Enteignung,  weil der damalige Verteidigungsminister  Norbert Darabos (SPÖ) versuchte, die Agrarflächen von den Bundesforsten bewirtschaften  zu lassen.  Mehr als 200 Bauern probten den Aufstand und kämpften erfolgreich um ihre Pachtflächen. Mittlerweile sind die Heeresforste in das Kommando des Truppenübungsplatzes integriert.
 

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