Chronik/Österreich

"Wir werden keine Ruhe geben"

Der Gemeindesaal im Wipptaler Dorf Pfons ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Über 200 Bauern aus dem Bezirk Innsbruck Land haben sich versammelt. Unter anderen Umständen wäre das für Josef Geisler (VP) ein Heimspiel. In der schwarz-grünen Regierung ist der Zillertaler seit 2013 Agrar-Landesrat.Vor fast genau einem Jahr wurde er mit 99,13 Prozent zum neuen Tiroler Bauernbundobmann gewählt.

Beifall für Kritiker

Doch am Montagabend gibt es bei diesem Informationsabend für Geisler nichts zu gewinnen. "Den Unmut spüre ich schon beim Reingehen, wenn ich in die Gesichter schaue", sagt der Standesvertreter in seinen Einleitungsworten. Er weiß: Applaus werden heute nur die Kritiker ernten. Die zerfetzen die von Geisler, Bauernbunddirektor Peter Raggl und VP-Landtagsabgeordnetem Hermann Kuenz präsentierte Novelle des Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG) in der Luft.

Der zwischen ÖVP und Grünen ausgehandelte Gesetzestext ist seit einer Woche in Begutachtung. Er soll nichts geringeres als einen jahrzehntelangen Streit zwischen den Gemeinden und den sogenannten Agrargemeinschaften beenden. Mit dem Sanktus des Landes wurden nämlich vor allem nach 1945 riesige Grundflächen – laut Gemeindeverband geht es um 2300 km² – aus dem Besitz der Gemeinden zu diesen bäuerlichen Vereinigungen verschoben. Laut mehreren höchstgerichtlichen Urteilen war das rechtswidrig. Nun sollen die Gemeinden wieder den Zugriff auf ihr Eigentum erhalten.

Doch die betroffenen Mitglieder der Agrargemeinschaften sehen darin eine Enteignung. Am Montagabend heizen die Hardliner unter ihnen die Stimmung an. Er habe heute seine Tochter mitgenommen, erklärt einer von ihnen, und zu ihr gesagt: "Schau dir die Leute an, die dich wieder in die Leibeigenschaft holen." Vergleiche mit der DDR und Russland werden gezogen. Und dass der Friede in den betroffenen Dörfern wohl nicht so schnell einkehren wird, ist schnell klar. Einige fordern eine geschichtliche Aufklärung über mögliche Fehler in den Grundbüchern: "Wir werden keine Ruhe geben, bevor das geklärt ist."

Immer wieder führt Geisler die Urteile der Höchstgerichte ins Treffen: "Der Rahmen ist sehr eng. Das ist auch für den Bauernbund eine ganz schwierige Aufgabe. Aber wir können nichts beschließen, dass verfassungswidrig ist." Verständnis gibt es dafür keines. "Als Bauernbundobmann hast du auf uns zu schauen", sagt einer und spricht dem Beifall nach zu urteilen für die meisten im Saal.

Nutzung, mehr nicht

Die Zielvorgabe der Höchstgerichte ist klar: Die Bauern sollen weiter ihr Vieh auf die Weiden treiben können. Und für den Eigenbedarf dürfen sie sich Holz aus dem Wald holen. Doch alle Erlöse, die über das land- und fortschwirtschaftliche Nutzungsrecht hinausgehen, stehen den Gemeinden zu. Im Mai soll das Gesetz beschlossen werden.