Wildwuchs bei Verkehrsstrafen
Bei den Verkehrsstrafen ist Österreich innovativ. Bundesweit ist nur der Rahmen abgesteckt, wie viel Verkehrsdelikte kosten – zwischen null und 726 Euro. Wie viel die Polizei tatsächlich kassiert, ist aber Ländersache. Was wo eingehoben wird, das überfordert sogar Experten, die jetzt den Wildwuchs der Tarife scharf kritisieren.
„Einheitliche Strafen werden nie kommen, wenn solche Aktionen wie in Wien passieren. Offenbar muss man irgendwie die grün angemalten Radwege finanzieren“, ist Thomas Woitsch vom ARBÖ über die jüngste Aktion der Wiener Polizei empört.
Dort wurden vergangene Woche die Strafhöhen für Organmandate (der KURIER berichtete) festgesetzt. Und das ist erst der Beginn. Die Bundeshauptstadt wird bald auch die Strafen für Anonymverfügungen anheben, bestätigt die Polizei. Die anderen Bundesländer schauen dagegen zu und warten offenbar die Diskussion in Wien ab.
Verschiedene Gesetze
Fix ist, dass österreichweit einheitliche Verkehrsstrafen nicht in Sicht sind. Denn die Rechtslage ist kompliziert. Wichtig sind hier zwei Gesetze – die Straßenverkehrsordnung (über Strafen entscheiden Bezirkshauptmannschaften oder Polizei) und das Kraftfahrgesetz (diese Strafen legt der Bund fest). Bei Letzterem gibt es einheitliche Tarife, etwa bei Missachtung der Gurtenpflicht zahlt man 35 Euro, oder für das Handytelefonieren am Steuer 50 Euro.
Schnellfahren, gefährliches Überholen, Rotlichtüberfahren und die meisten anderen Delikte liegen in der Entscheidungskompetenz der Länder und Bezirkshauptmannschaften. Bedeutet, dass Schnellfahrer von Bezirk zur Bezirk unterschiedlich hoch zur Kasse gebeten werden. Auch gibt es regional unterschiedliche Toleranzgrenzen (3 bis 20 km/h), ab wann kassiert wird.
„Wenn man nicht weiß, was einen als Autofahrer als Strafe erwartet, fehlt die Abschreckung“, kritisiert ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer.
Viele Verkehrsminister scheiterten bisher daran, die Strafen zu vereinheitlichen. Seit 2007 wird verhandelt. Seither wird kolportiert, dass sich ein Kompromiss in Ausarbeitung befinde.
„Es gibt ja kein Kartellgesetz. Die Länder können sich einfach zusammensetzen und sich auf zumindest einen Rahmen einmal einigen“, sagt Hoffer. Doch der ist auch nicht in Sicht. Denn ein beliebter Satz der Gegner einheitlicher Verkehrsstrafen lautet: „Schnellfahren auf einem Tiroler Berg ist etwas anderes als in Wien.“
„Solange die Bundesländer im Halbjahrestakt die Strafen erhöhen, wird es nie zu einer Einigung kommen“, befürchtet Woitsch. „Zu Jahresbeginn wurde mit einer Gesetzesänderung die Grundlage dazu gegeben, die Autofahrer abzucashen.“
Bei der Wiener Polizei sieht man die Sache ganz anders: „Tatsächlich ist es keine Straferhöhung, sondern eine Verwaltungsvereinfachung“, erklärt Polizeisprecher Manfred Reinthaler.
„Bisher war es so, dass Fahren gegen die Einbahn 35 Euro gekostet hat. In schlimmen Fällen hat der Beamte eben angezeigt und dort hat es dann 50 Euro gekostet. Jetzt kann er das vor Ort einheben.“ Betont wird, dass die meisten Delikte, die bisher 35 Euro gekostet haben, und sich nun mit 50 Euro zu Buche schlagen, seit elf Jahren nicht verteuert wurden. Reinthaler: „Jetzt ist es wieder eine Strafe, die empfindlich und angemessen ist.“