Chronik/Österreich

Wieder mehr Gewalt in Österreich

Die Zahl der Gewaltdelikte in Österreich steigt. Um zumindest zehn Prozent, wie Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, in einem Interview sagte. Oder vielleicht auch etwas weniger, wie seine Sprecherin am Mittwoch gegenüber dem KURIER präzisierte. Die endgültige Zahl wird es jedenfalls erst geben, wenn die Kriminalitätsbilanz 2016 fertiggestellt ist. Kogler sieht einen Zusammenhang mit den Flüchtlingen. Es betreffe vor allem "jüngere Männer aus Regionen mit Gewaltvergangenheit".

Das hält Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl für denkbar: "Wenn mehr junge Menschen da sind, gibt es mehr Gewalt. Wenn man Gewalt abschaffen will, dann muss man junge Männer abschaffen. Wir gehen aber von einem geringen Niveau aus. Wir sind immer noch in einem zivilisierten Bereich."

Rund 44.000 Straftaten erwartet

Die Zahl der Gewaltdelikte schwankt seit 2007 zwischen 40.000 und 44.300, zuletzt waren sie im unteren Bereich. Eine Steigerung um zehn Prozent bedeutet rund 4000 mehr – etwa so viele wie 2012 und 2009. Wobei der Großteil Körperverletzungen betrifft, bei Mord etwa ist die Zahl leicht sinkend. In Wien wurden heuer 15 Menschen ermordet – so wenige wie selten zuvor.

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Zugenommen haben vor allem Massenschlägereien, die bisher letzte forderte am Dienstag beim Wiener Westbahnhof drei Verletzte. Einer der Beteiligten bedrohte Polizisten mit einer Schreckschusspistole. Wieder waren Afghanen und Tschetschenen aneinander geraten.

"Die meiste Gewalt passiert innerhalb der Gruppe. Als Außenstehender muss man wenig Angst haben", meint Soziologe Kreissl. Gewalt habe nichts mit Religion oder Herkunft zu tun: "Das ist auch bei Inländern so, man muss sich nur die Hooligans anschauen, die sich in den Innenstädten prügeln."

Zweiter Grund sind Kriegserfahrungen: Auch junge Soldaten, die für den Westen in den Krieg ziehen, verrohen. Laut britischen Studien fallen Rückkehrer nach Kriegseinsätzen im Irak oder Afghanistan rund drei Mal so oft mit Gewaltdelikten auf wie andere Briten.

Polizei-Projekt soll helfen

Vielversprechend ist ein Projekt der Tiroler Polizei. Seit November 2015 werden in alle Flüchtlingsunterkünfte spezielle Kontaktbeamte geschickt und diese Heime intern mit Gefahrenstufen klassifiziert (und darauf wird reagiert). "Wir können Gewalt nicht so einfach verhindern. Aber es ist wichtig, dass die Herrschaften sehen, dass die Polizei präsent ist und sie gesehen werden. Umgekehrt kommen wir so an Informationen, die auch für den Verfassungsschutz relevant sind", sagt Landespolizeidirektor Helmut Tomac.

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Tirols oberster Polizist sieht einen Rückgang der Gewalt im zweiten Halbjahr. "Bis zum Sommer mussten teilweise 200 Leute in einer Tennishalle leben, es gab kaum Intimsphäre. Wenn wir uns alle in so eine Situation versetzen, versteht man, dass es Probleme geben kann." Mit den Verbesserungen der Situation und dem aktuellen Projekt gebe es nun wieder Rückgänge. Die oberösterreichische Polizei hat dies bereits kopiert.

"Es sind nicht viele so"

Eine Schlägerei mit mehreren Beteiligten gab es im Jänner 2015 auch im Haus Sidra, einer Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge des Samariterbundes in Wien. "Es hat begonnen mit zwei Burschen und irgendwann waren acht in die Schlägerei verwickelt", erzählt Vera Mirnic, die das Flüchtlingsquartier leitet. 30 Burschen im Alter von 14 bis 18 Jahren sind in dem Haus untergebracht. Hin und wieder käme es zu Zwischenfällen, erzählt Mirnic. Manche wüssten nicht, wie sie ihre Emotionen anders ausdrücken können. Meistens ließe sich das im Gespräch lösen.

"Es sind nicht viele Burschen, die so sind", sagt die Hausleiterin. Manche wüssten nicht einmal, dass eine Prügelei zur Anzeige führen kann. Im Haus werde über Gewalttaten, die von Flüchtlingen begangen wurden – etwa die massenhaften Übergriffe auf Frauen zu Silvester in Köln oder der Versuch, einen Obdachlosen in Berlin anzuzünden – diskutiert. "Die meisten Burschen schämen sich, dass jemand aus ihrem Land so etwas tut."