Michaela Kardeis: "Wer ist sie denn, was kann sie denn?"
Michaela Kardeis (45) ist nicht nur erste Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, sondern auch die jüngste Person, die diesen Job jemals übernommen hat. Der Kabinettschef des Innenministeriums, Michael Kloimüller, nennt es "die schwierigste Aufgabe der Republik", sie selbst freut sich "auf eine Sechsdreiviertel-Tage-Woche". In ihrer Antrittsrede am Freitag zitierte sie österreichische Musiker, um ihren Amtsstil zu beschreiben. Von Wolfgang Amadeus Mozart will sie "immer treu und Redlichkeit" übernehmen – und zu ihrer Person nahm sie Anleihe bei Falco: "Wer ist sie denn, was kann sie denn, was glaubt sie, wer sie ist?".
KURIER: Stichwort "Wer ist sie denn?". Wie wollen Sie angesprochen werden, als Frau Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit oder als Frau Generaldirektorin?
Kardeis: Ich höre auf beides. Stelle ich mich vor, dann sage ich: Grüßgott, Michaela Kardeis, Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit. Aber das ist Geschmackssache.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Also: Wer glaube ich, wer ich bin? Ich bin jemand, der Harmonie und Kooperation schätzt. Ich gehe durchaus Kompromisse ein, kann aber auch mit Hartnäckigkeit meine Meinung durchzusetzen. Ich will, dass man versteht, was ich will und auch die Bevölkerung weiß, warum die Polizei gewisse Maßnahmen benötigt.
Als Sie Direktorin in Schwechat geworden sind, nannte Minister Strasser das einen "Tabubruch". Ist eine Generaldirektorin heute noch ein Tabuthema?
Nicht mehr wirklich. Das jetzt ist was besonderes, aber Frauen bei der Exekutive sind schon lange Standard. Da ist keine besondere Hartnäckigkeit mehr notwendig.
Als Beobachter hatte man bisher den Eindruck, dass Sie lieber in der zweiten Reihe stehen. Seinerzeit haben Sie sich etwa nicht als Wiener Polizeipräsidentin beworben. Warum treten Sie jetzt in die erste Reihe?
Weil es manche Gelegenheiten nur einmal gibt. Man muss sich trauen. Machen.
Warum haben Sie sich damals in Wien nicht beworben?
Das war 2008. Das wäre für mich damals zu früh gewesen.
Wo steht die Polizei jetzt und wo sehen Sie sie in der Zukunft?
Die Polizei steht sehr gut da. Der Eigenschutz mit Ausrüstung hat sich in den vergangenen Jahren enorm verbessert. Der Fuhrpark ist moderner geworden. Die Frage ist aber: Wie erreichen wir Präsenz auf der Straße. Wenn man sich Umfrageergebnisse ansieht , ist es immer der Wunsch an uns, präsent zu sein und schnell vor Ort zu sein. Ich weiß jetzt noch nicht, was in drei oder vier Jahren erforderlich ist. Mitunter wird man legistische Maßnahmen brauchen, um nicht einen Schritt hinten zu sein.
Die aktuelle Lage in Europa ist so, dass man befürchten muss, dass in Ihre Amtszeit ein Terroranschlag fallen könnte. Wie bereiten Sie sich persönlich auf so ein Szenario vor?
Absolute Sicherheit gibt es nicht. Das ist mir sehr bewusst. Generell: Ich bin eine Planerin. Es muss jeder wissen, intern und extern, was abläuft. Wenn etwas passiert, wissen wir, was wir zu tun haben. Vor allem in Wien habe ich mich mit dem Verfassungsschutz intensiv auseinandergesetzt, wir haben Übungen und Workshops gemacht. Aber am Anfang gibt es wenig Klarheit, es heißt nicht umsonst "Chaosphase". Die Frage ist: Wie komme ich schnell aus dieser Phase? Wir haben uns strukturiert mit Feuerwehr, Rettung und Bundesheer. Und dann heißt es: Üben. Das andere Thema ist Deradikalisierung und Prävention, da benötigt es einen Schulterschluss der Gesellschaft, das kann die Polizei nicht alleine machen.
Derzeit ein heißes Thema, aber wie dringend muss die Polizei auf WhatsApp mitlesen?
Das braucht sie tatsächlich sehr, sehr dringend. Es geht um eine Vielzahl an kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Wenn ein Krimineller am Telefon sagt: Weißt du was, reden wir auf WhatsApp weiter. Und wir wissen, rechtlich wäre es okay, Nachrichten zu überwachen, aber wir können es einfach technisch nicht, dann ist das eine Lücke. Die Polizei ist dann automatisch einen Schritt hinten. Wenn sich zwei Terroristen unterhalten und wir das Wann, das Wo, das Wie nicht wissen, dann sind das Grenzen, die es zu überwinden gilt. Es werden ja nicht alle Handys angezapft oder ein ganzer Computer durchsucht, man benötigt einen konkreten Anlassfall. Wichtig ist, dass es nicht überschießend ist. Wir greifen nur bei Anlassfällen in die Grundrechte ein. Dort, wo es notwendig ist.
Die statistische Kriminalität ist niedrig, die gefühlte hoch. Wie wollen Sie die Leute überzeugen?
Ins Boot holen und einbinden. Es ist uns allen bewusst, der Trend ist gut: Die Anzeigen gehen nach unten und die Aufklärungsquote steigt. Aber Vertrauen bekommt man nur über Kommunikation. Die Menschen wollen ernst genommen werden. Leute wissen manchmal nicht, wo sie sich mit ihrem Problem hinwenden sollen. Dann kommt das Gefühl, machtlos zu sein. Es hat sexuelle Übergriffe gegeben. Das ist nichts, was wir vertuschen wollen. Dann kommt noch Terror dazu, über den man in der Zeitung liest und dann kommt das Gefühl, nicht mehr sicher zu sein. Aber es gibt etwa in der Nähe von Flüchtlingsheimen Sicherheitsforen für alle. Dadurch kommt man drauf, was wirklich das Problem ist. Der Austausch hilft, es werden gemeinsam Lösungen entwickelt. Auch so kann man Radikalität erkennen, wenn man nicht aneinander vorbei lebt.
Noch eine Frage zur Migration, zu Ihrer eigenen. Sie wollten immer in die USA auswandern, ist dieser Traum nun zu Ende?
I have a dream. Ich will wirklich einmal für einige Zeit nach Amerika, dort leben und arbeiten, weil ich von dem Land fasziniert bin. Aber ich weiß nicht, ob es in fünf oder zehn Jahren eine Chance gegeben hätte für diese Bewerbung. Am Ende war es: Austria First.