Vor komplettem Lockdown: Boykott-Aufrufe und verweigerte Corona-Tests in Kuchl
Was ist da in Kuchl los? Die Gemeinde im Salzburger Tennengau liegt in einem jener vier Bezirke, die seit Freitag in der Corona-Ampel des Gesundheitsministeriums rot aufleuchten – und über die nun besonders harte Maßnahmen verhängt werden sollen.
Mit Stand gestern verzeichnete man 87 Infizierte, bei rund 7.500 Einwohnern - das sind die mit Abstand höchsten Infektionszahlen in ganz Österreich, gemessen an der Einwohnerzahl.
Ab Samstag 0.00 Uhr gilt deshalb für alle Einwohner Kuchls eine absolute Quarantäne-Pflicht. Die Ankündigung sorgte am Donnerstag für große Verunsicherung innerhalb der Bewohner.
Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP) berichtete gegenüber dem KURIER von besorgten Anrufen im Gemeindeamt. "Es gibt sehr viele Fragen, die geklärt werden müssen."
Boykott-Aufrufe in sozialen Medien
Ein Problem, mit dem Bürgermeister Freylinger wohl nicht gerechnet hat, ist aber die mangelnde Kooperationsbereitschaft vieler Kuchler. Laut der zuständigen Landessanitätsdirektorin Petra Juhasz soll es sogar Boykott-Aufrufe in sozialen Netzwerken gegeben haben. "Das erschwert unsere Arbeit massiv", sagte sie am Donnerstag.
"Die Maßnahmen sind für einen Teil der Bevölkerung nicht nachvollziehbar", sagte auch Bürgermeister Freylinger am Freitag im Ö1-Morgenjournal. "Wobei man dazusagen muss, dass die sozialen Medien auch für sehr viel Unsicherheit und Verschwörungstheorien sorgen." Sein Appell an die Kuchler: "Wir müssen die 14 Tage Quarantäne nutzen, um die Zahlen wieder auf ein vernünftiges Maß herunterzubekommen."
Auch Landeshauptmann Wilfried Hauslauer hatte gestern durchklingen lassen, dass es die Kuchler nicht allzu ernst mit der Corona-Lage in ihrer Gemeinde nehmen. "Es gibt Berichte von Kontaktpersonen erster Ordnung, die sich gruppenweise getroffen haben", sagte er bei einer Pressekonferenz. "In Kuchl läuft die Situation aus dem Ruder."
Landessanitätsdirektorin Juhasz geht davon aus, "dass in Hallein (der benachbarten Bezirkshauptstadt) Menschen unterwegs sind, die positiv sind, aber keinen Test machen lassen."
Teilweise gehe es den Menschen darum, eine Quarantäne vermeiden zu wollen bzw. auch nicht für die Quarantäne anderer Personen verantwortlich zu sein, wird Juahsz von den Salzburger Nachrichten zitiert.
In den Bezirkshauptmannschaften werden laut SN derzeit die Kräfte, die für die Nachverfolgung der Kontakte eingesetzt sind, verstärkt. So wurden etwa auch Mitarbeiter der Jugendämter im Flachgau und im Tennengau abgezogen, um bei diesem sogenannten Contact Tracing mitzuhelfen.
Dennoch könne man derzeit im Tennengau ein genaues Nachverfolgen aller Kontakte nicht mehr erfüllen, heißt es.
Seniorenheim bereits betroffen
Bekannt ist, dass einige Ansteckungen unter anderem auf eine Benefizveranstaltung in Kuchl zurückzuführen sein dürften. Aber auch mehrere Mitarbeiter einer Firma sind erkrankt, im Seniorenheim waren zuletzt 15 Bewohner und Mitarbeiter infiziert.
"Mir ist aber wichtig zu sagen, dass es keine Schuldigen gibt. Die Maßnahme des Landes ist auch erfolgt, weil es eben keine nachvollziehbare Clusterbildung mehr gab. Wir haben eine Kumulation von vielen Infektionen quer durch alle Bevölkerungsschichten", erklärte Freylinger.
Unabhängig davon stellt sich für viele Unternehmer vor Ort einmal mehr die Frage nach der Umsetzbarkeit der Maßnahmen. Wer darf weiterarbeiten? Wer zählt zu Schlüsselarbeitskräften? In welcher Art und Weise können Unternehmer ihren Betrieb noch aufrechterhalten? Und: Wer trägt die Kosten für den Verdienstentgang bzw. die Strafzahlungen oder etwaige Pönalen für nicht eingehaltene Aufträge?
"Wirtschaftlich und für das Image ist das ein enormer Schaden“, zitiert der ORF etwa eine selbstständige Unternehmerin aus Kuchl.
Um Antworten auf diese und mehr Fragen zu erhalten, haben die Gemeindepolitiker einen Fragenkatalog an die Landesregierung übermittelt. Bürgermeister Freylinger: „Hier stellen sich so viele Fragen, die bei einer Quarantänestellung gegeben sind, die nun erst einmal geklärt werden müssen“, gegenüber ORF.at.