Chronik/Österreich

Die unbegründete Angst vor den Hunde-Giftködern

In großen Lettern berichtete kürzlich eine Boulevardzeitung: „Hundehasser legt in der Wiener City Giftköder aus“, das „besorgte Herrchen befürchtet: Ich glaube, es war Strychnin.“

Wer den gesamten Bericht bis zum Ende liest, der wird zumindest im letzten Satz doch noch über den wohl tatsächlichen Hintergrund aufgeklärt: „Es gebe ‚keinerlei Hinweise auf giftige Substanzen‘, die Polizei geht von ,Zuckerrestbeständen’ aus“.

Doch derartige Horror-Meldungen im Internet, Onlinemedien und in Zeitungen haben ihre Auswirkungen: 77 Prozent der Haustierbesitzer haben offenbar Angst davor, dass ihr Liebling einen Giftköder fressen könnte. Das ergibt einen Umfrage von PetGuard, einer Art Schutzbrief für Tierbesitzer, unter 545 Befragten.

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Vor rund vier Jahren war die Hochblüte der Warnungen vor vermeintlich präparierten Ködern für Hunde, innerhalb weniger Monate gab es 22 Anzeigen in Wien, 75 in Niederösterreich – und immerhin 332 Zeitungsmeldungen zur Causa.

„Panikmache“ bei Giftködern

„Zum Teil läuft da derzeit eine immense Panikmache“, meinte schon damals die Mitarbeiterin einer Tierklinik in Niederösterreich. „Das sind urbane Legenden. Ein blutiger Durchfall wird nun zur Vergiftung. Es laufen nicht überall Menschen mit Gift in den Taschen herum, das wäre ja verrückt.“

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Der KURIER versuchte intensiv, mehrere der Fälle genauer nachzurecherchieren, doch jedes Mal stellte sich heraus: Fehlalarm oder zumindest massiver Zweifel an der Sache. So wurde auch ein epileptische Anfall eines Hundes zur Giftattacke, in anderen Fällen kannten die Warner nicht einmal die Betroffenen, sondern hatten nur davon gehört. Kein einzige Vergiftungsfall konnte definitiv bestätigt werden.

In Deutschland gibt es bereits eigene Apps, die schon fast 10.000 Orte anzeigen, wo angeblich Giftköder verteilt wurden.

„Dramatisiert“

„Nicht jeder Brechdurchfall, nicht jedes Unwohlsein, nicht jedes undefinierbare Befinden ist die Folge einer Vergiftung. Seit vielen werden Jahren sowohl von Besitzer– als auch von mancher Kollegenseite immer wieder die Diagnose ,Vergiftung’ ins Spiel gebracht. Damit werden eigentlich andere Erkrankungen unnötig dramatisiert und nicht zuletzt ja Misstrauen gegen Unbekannt oder gar die Nachbarschaft geschürt“, warnt etwa die Kleintierpraxis Melle im Internet.

Und weiter: „Gift wird glücklicherweise nicht so häufig von mysteriösen Tierhassern ausgelegt, wie vielfach angenommen. Dies gehört meistens in den Bereich der Hoax oder Urban Legends. Also: ein bisschen Blut im Durchfallkot oder im Erbrochenen ist kein Hinweis auf Giftaufnahme. Keine Panik, das kommt vor, meistens ist es einfach bakteriell oder viral bedingt.“

Irina Steirer von der Wiener Polizei sagt, dass die entsprechende Zahl der angezeigten Verdachtsfälle pro Jahr sich mittlerweile auf etwa drei im Jahr eingependelt hat. Glaubt man der PetGuard-Umfrage, dann dürfte die Angst aber dennoch weiterhin enorm sein.