Chronik/Österreich

Österreich: Enormer Anstieg bei rechtsextremen Taten

Alarmierende Anzeichen einer gesellschaftlichen Polarisierung liefert der am Montag veröffentlichte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015: Rechtsextrem motivierte Straftaten sind enorm im Steigen, gleichzeitig liegt Österreich aber auch bei der Rekrutierung von islamistischen Terrorsöldnern im europäischen Spitzenfeld. Die Gewaltbereitschaft im Internet ufert aus. Der Verfassungsschutz sieht eine Gefahr für den inneren Frieden.

Rechtsextremismus

Im Jahr 2015 wurden insgesamt 1.691 rechtsextrem motivierte Delikte zur Anzeige gebracht. Das bedeutet eine Steigerung von 40,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 (1.201). Das Verbotsgesetz steht mit 953 Anzeigen an der Spitze, gefolgt von 283 Fällen von Verhetzung. Unter den 912 angezeigten Personen sind 90 Frauen, immerhin 9,9 Prozent. Der Verfassungsschutz registriert einen "signifikanten Anstieg von Mitgliedern und Sympathisanten" bei rechtsextremen Gruppierungen. Hauptaktivitäten der "Neuen Rechten" sind islam- und asylfeindliche Aktionen gegen Asylwerber und ihre Unterkünfte sowie Betreuungspersonen. Auch jüdische Einrichtungen sowie exponierte jüdische Personen sind häufig auf einen Schutz von Polizei und Sicherheitspersonal angewiesen.

Hasskriminalität im Internet

Die gegenwärtige Migrationslage und die damit verbundene Verunsicherung breiter Kreise der Bevölkerung führt zu einer bisher nicht dagewesenen Hasswelle in den sozialen Medien. Die Bandbreite an Hassdelikten bewegt sich in Österreich aktuell von Hasspostings und hasserfüllten Kommentaren in sozialen Netzwerken bzw. diversen Internetforen und endete in einigen Fällen auch konkret bei Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte oder mit Attacken auf Asylwerbern.

Der Verfassungsschutz befürchtet, dass sich die Internet-Szene vermehrt organisieren könnte: "Die jüngsten Terroranschläge in Europa, die sexuellen Übergriffe gegen Frauen durch Täter mit Migrationshintergrund, als unzureichend empfundene politische Reaktionen auf die Migrationslage und das Fehlen nachhaltiger Lösungsansätze führen aktuell auch zur Organisation bürgerwehrähnlicher fremdenfeindlicher Strukturen im Internet, also vorerst nur virtuell. Pro und contra Asyl bzw. Migration gerichtete Positionen sowie die Aggression gegenüber den für die aktuelle Lage verantwortlich gemachten nationalen und internationalen Autoritäten sind ein nicht unbeträchtliches Gefahrenpotenzial für den inneren Frieden."

Linksextremismus

Die linksextreme Szene in Österreich ist gespalten. Im Vergleich zum Vorjahr zeigten linksextrem motivierte Straftaten eine rückläufige Tendenz um 49,9 Prozent. Sie sanken von 371 Anzeigen im Jahr 2014 auf 186 im Jahr 2015. 129 Personen wurden angezeigt, darunter 53 Frauen.

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Islamismus

In Österreich ist die Zahl der sich radikalisierenden Anhänger des salafistischen Dschihadismus weiterhin im Steigen begriffen. 259 Personen sollen sich laut BVT am Bürgerkrieg in Syrien und im Irak beteiligt haben. 41 konnten an der Ausreise gehindert werden, 43 wurden im Kriegsgebiet nachweislich getötet. Besondere Sorge bereiten jene 79 mutmaßlichen Rückkehrer, die nun überwacht werden müssen.

Die Mehrheit der Söldner der Terrormiliz "Islamischer Staat" stammt aus Europa. Wobei im Verhältnis zur Einwohnerzahl der jeweiligen Staaten Österreich in dieser Statistik an zweiter Stelle hinter Belgien rangiert, aber noch vor Großbritannien und Frankreich.

Ob es sich bei den bekannt gewordenen Fällen, in denen Terroristen als Flüchtlinge getarnt nach Österreich gereist sind, um eine systematische Einschleusung oder eben "nur" um Einzelfälle handelt, kann zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts vom Verfassungsschutz noch nicht beurteilt werden.

Die gezielte Anwerbung bzw. Radikalisierung von Flüchtlingen durch Islamisten hat sich in Österreich bisher nicht bestätigt. Es wird jedoch angemerkt, dass bei den u.a. am Wiener Westbahnhof aktiven Helfer(gruppen) verschiedene Interessenvertretungen mit unterschiedlichen politischen Zielsetzungen wahrgenommen wurden. Dabei wird besonders bei jugendlichen, unbegleiteten Flüchtlingen ein erhebliches Radikalisierungspotenzial befürchtet.

Prognose

Entspannung ist nicht in Sicht. "Die in den nächsten Jahren zu erwartende Weiterentwicklung in Richtung gesellschaftlicher Diversität wird einen guten Nährboden für die Vermehrung und Ausweitung von innergesellschaftlichen Gruppenkonflikten bieten."