Verdacht auf Terrorzelle in Haftanstalt Graz-Karlau
Die jüngsten Ermittlungen um den rechtskräftig verurteilten IS-Terroristen Lorenz K., der vom Gefängnis aus neue Anschlagspläne verfolgt haben soll, haben brisante Zwischenergebnisse erbracht. Der 21-Jährige soll in der Justizanstalt (JA) Graz-Karlau mit zwei Mitgefangenen - einer davon hatte 2017 wegen terroristischer Straftaten lebenslange Haft ausgefasst - eine Terrorzelle gebildet haben.
Wie Recherchen der APA und des Nachrichtenmagazins "profil" ergaben, lernte Lorenz K. in der Karlau als Hausarbeiter Abu H. (30) kennen. Das Landesgericht Krems hatte über den gebürtigen Palästinenser wegen versuchter Bestimmung zu Mordanschlägen und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung - nämlich der Hamas - eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.
Die beiden Männer dürften sich gut verstanden haben. Sie sollen sich regelmäßig gegenseitig in ihren Hafträumen besucht haben. Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nützten sie abwechselnd zwei auf Instagram bzw. Telegram angelegte Profile und betrieben damit terroristische Propaganda. Ein dritter Häftling soll in dieses Treiben eingebunden gewesen sein.
Anleitung zum Bombenbau
Damit nicht genug. Lorenz K. soll dem "Lebenslangen" auch eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt haben. Anfang August wurden bei einer Durchsuchung der Zelle von Abu H. Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser - so zumindest die Verdachtslage - eine Sprengvorrichtung bauen wollte. Offenbar stellt es selbst für verurteilte Terroristen keine Schwierigkeit mehr dar, im Gefängnis an entsprechende Utensilien zu kommen.
Auch - offiziell natürlich verbotene - Handys sind in den Justizanstalten längst keine Mangelware mehr. Laut "profil" (Samstag-Ausgabe) wurden im Vorjahr in den heimischen Gefängnissen 1.079 Geräte beschlagnahmt - um 720 mehr als im Jahr zuvor. Der IS-Anhänger Lorenz K. - im April 2018 in Wien von einem Schwurgericht wegen Beteiligung an versuchtem Mord in zwei Fällen, begangen jeweils in Form einer terroristischen Straftat zu neun Jahren Haft verurteilt - verfügte schon im Herbst 2019 in der JA Stein über ein Smartphone.
Dieses teilte er sich angeblich mit Sergo P., einem weiteren Terrorverdächtigen, der ebenfalls dem radikalislamistischen "Islamischen Staat" (IS) angehören soll und im Dezember 2019 eine Anschlagserie - unter anderem auf den Weihnachtsmarkt am Wiener Stephansplatz - geplant haben dürfte. In Stein kommunizierte Lorenz K. via Instagram unter anderem mit Personen, die sich dem IS angeschlossen hatten und nach Syrien gegangen waren. Er postete neben Hinrichtungsvideos des IS und weiterem Propagandamaterial auch ein Foto aus seiner Zelle, wobei im Hintergrund eine IS-Fahne zu sehen war, die er sich angeblich von einem Mitgefangenen besorgt hatte. Der 21-Jährige soll auch einen Treueschwur auf den Nachfolger des im Herbst 2019 verstorbenen IS-Führers Abu Bakr al-Baghdadi veröffentlicht haben.
Anstiftung
Einen seiner Chatpartner - ein vermutlich in Deutschland lebender Mann - wollte Lorenz K. laut BVT zu einem Sprengstoffanschlag in Deutschland oder Österreich anstiften, wobei er mit den Worten, er könne ihm "zeigen, wie das geht", diesem eine Anleitung zur Herstellung eines Sprengsatzes angeboten haben soll. Er empfahl dem Mann außerdem: "Du kannst die Kuffar (Ungläubige, Anm.) verdeckt angreifen." Einen 18-Jährigen wollte Lorenz K. nach Dafürhalten des BVT zur Begehung eines Terroranschlags animieren, indem er ihm unter anderem ein Foto einer Nagelbombe zukommen ließ.
Lorenz K. sitzt im Gefängnis, weil er Ende November 2016 einen damals zwölfjährigen deutschen Buben dazu bringen wollte, mit einem selbst gebauten Sprengsatz im Namen des IS einen Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) zu verüben. Darüber hinaus hatte er zeitgleich geplant, mit einer um zwei Jahre jüngeren Frau einen Bombenanschlag durchführen, nachdem er diese nach islamischem Recht geheiratet hatte. Das Attentat unterblieb, weil der Vater der jungen Frau ihr Handy durchforstete, dabei die von terroristischem Gedankengut durchtränkten Chat-Verläufe seiner Tochter mit dem Wiener entdeckte und umgehend die Polizei verständigte.
Ende 2019 wurde Lorenz K. von der JA Stein verlegt. In der JA Graz-Karlau verfügte er ab Februar wieder über ein Handy, das er seiner eigenen Aussage zufolge von Zellengenossen vermittelt bekam. Demnach bekam er gegen Überweisung von 800 Euro, die eine Kontaktperson außerhalb der Gefängnismauern vornahm, in einem präparierten Laib Brot das Gerät in seine Zelle zugestellt. Mit dem Smartphone soll Lorenz K. dann über Monate hinweg täglich mit der Außenwelt in Verbindung getreten sein.
Ermittlungen
Nach Auffliegen der Umtriebe in der JA Graz-Karlau sind gegen die Verdächtigen Ermittlungen wegen versuchter Bestimmung zum Mord und versuchter vorsätzlicher Gefährdung durch Sprengmittel, begangen jeweils als terroristische Straftat (§ 278c StGB) im Laufen. Die Staatsanwaltschaft Graz hält sich dazu weiter bedeckt.
Für Wolfgang Blaschitz, den Verteidiger von Lorenz K., ist die Verdachtslage "an den Haaren herbeigezogen", wie er gegenüber der APA sagte. Blaschitz kündigte einen Einspruch wegen Rechtsverletzung an, weil er als anwaltlicher Beistand des 21-Jährigen bisher keine Akteneinsicht erhalten habe.