Chronik/Österreich

Traditions-Fleischhauer in Wien: Die neue alte Fleischeslust

Irgendwann machen ja sogar Großstädte eine Verschnaufpause. Ein einziges Licht aber, das brennt fast immer auf der Gumpendorfer Straße – auch wenn sie um 5 Uhr früh sonst noch in Dunkelheit liegt.

Beim Fleischhauer Ringl wird bereits jetzt gearbeitet. Denn um 5.30 Uhr, da öffnen die Türen des Traditionsgeschäfts. Wahrscheinlich, weil es immer schon so war. Seit vier Generationen besteht der Betrieb. Zuerst im Weinviertel, später in der nahen Webgasse, jetzt in der Gumpendorfer Straße.

Tradition, die wird bei Ringl großgeschrieben. Wer den Verkaufsraum betritt, fühlt sich wie auf einer kleinen Zeitreise.

Alles selbst gemacht

Die Vitrinen sind nicht nur voller Fleisch, sondern auch voll von Würsten und Pasteten. Alles ist selbst gemacht, nichts zugekauft. Davon zeugen nicht zuletzt die handgeschriebenen Schilder, die die Ware anpreisen.

Die Würste – ohne Mehl, das betont man – tragen kreative Namen wie „Grobian“. Der Leberkäse dampft hinter der Vitrine. Und neben geräuchertem Rindskamm und Zwetschkenblunzn liegen Spezialitäten wie frisches Kalbshirn. An den Wänden: jene Teile vom Rind, die man nicht für Menschen, wohl aber für Hunde verarbeiten kann.

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Die Chefinnen, die beiden Schwestern Monika und Claudia Ringl – heute, bei nur 7 Grad im Laden, mit Pudelmützen – bedienen gemeinsam mit ihrem Vater die Kundschaft. Und legen dabei jenen Verkäufer-Schmäh an den Tag, wie man ihn von früher gewohnt ist.

Dass es so manchmal noch ein bisschen länger dauert, das nimmt man in Kauf. Wer hierher kommt, der wünscht Beratung. Der Besuch beim echten Fleischhauer, der ist etwas Besonderes geworden.

Nur noch 127 Fleischhauer

Die Zahl der Fleischhauer sinkt in Wien kontinuierlich. Vor zehn Jahren waren es noch 147 Betriebe in der Stadt, heute sind es laut Wiener Wirtschaftskammer nur noch 127. Das liegt zum Teil an der Konkurrenz.

55,9 Prozent der Österreicher kaufen Fleisch im Einzelhandel, weitere 29,4 beim Diskonter. Nicht einmal mehr jedes zehnte Kilo Fleisch wird noch beim Fleischhauer bestellt.

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Zugleich hängt der Rückgang der Fleischhauer aber auch mit dem langsamen, aber stetigen Rückgang des Fleischkonsums zusammen. Im Jahr 2017 waren es 63,4 Kilogramm pro Kopf; im Jahr 1995 waren es noch 65,4 Kilo.

Höhepunkt überschritten

Der Trend wird sich in den nächsten Jahren wohl drastischer fortsetzen, ist Ernährungsexpertein Hanni Rützler überzeugt: „Wir haben ,Peak Meat‘ erreicht“, sagt sie – und meint damit den Höhepunkt des Fleischkonsums.

Fleisch war früher eine Festtags- und Wochenendspeise, heute ist es eine Alltagsspeise. „Der historisch gewachsene Fleischhunger ist gesättigt. Für große Teile unserer Gesellschaft ist Fleisch so normal geworden, dass sie darauf verzichten kann.“

Tatsächlich: Die Konsumenten – vor allem die Jungen – kaufen Fleisch bewusster ein. Sie haben auch mehr Fachwissen: „Die Kunden werden mündiger. Plötzlich fragen sie nach den Kuhrassen oder verlangen ihr Fleisch ,dry aged’“, sagt Claudia Ringl.

„Dann sind sie ganz verwundert, wenn ich erzähle, dass wir unser Fleisch immer schon trocken gereift haben.“ Natürlich weiß Ringl auch, welche Rassen bei ihr in der Vitrine liegen. Angus, Fleckvieh, Limousin – alles Kalbinnen ab einem Alter von drei Jahren; von kleinen Bauern aus dem Waldviertel, die die Ringls persönlich kennen. Geliefert werden die Kalbinnen in Vierteln, das Fleisch noch am Knochen.

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Damit kommt man auch der Nachfrage nach regionalen und Bio-Produkten entgegen. „Unsere Bauern sind zwar nicht bio-zertifiziert, dafür wissen wir genau, dass die Kühe natürlich und gesund aufgezogen wurden“, sagt Ringl. „Das ist mehr wert.“ „Papier“, sagt sie mit Blick auf die vielen Zertifikate und Gütesiegel am Markt, „ist ja bekanntlich geduldig“.

Eine Entwicklung, die die Zahlen belegen. Eine Langzeitanalyse der AMA zeigt, dass die Österreicher immer mehr Lebensmittel direkt beim Bauern kaufen (28 Prozent im Jahr 2017 im Vergleich zu 22 Prozent im Jahr 2008).

Auch dass die Lebensmittel aus der Region kommen, spielt eine immer größere Rolle (46 Prozent 2017, 35 Prozent 2008).

Veganismus als Reaktion

Für Expertin Rützler ist dieser wertschätzende Fokus auf qualitativ hochwertiges Fleisch eine von zwei Reaktionen auf die Fleischsättigung. Die Zweite: der Veganismus – also das Weglassen aller tierischer Nahrungsmittel wegen des Tierwohls.

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Die Ringls bleiben unterdessen beim Fleisch – und wollen auch mit Eigenkreationen (Empfehlung der Chefin: Apfel-Chili-Streichwurst) punkten.

Das Geschäftsmodell geht auf, das zeigt das rege Kundeninteresse. Das Licht der Familie Ringl wird wohl noch länger die Gumpendorfer Straße erhellen.