A4-Drama: Verfahren um "Todes-Foto" eingestellt
Der grauenvolle Fund von 71 toten Kindern, Frauen und Männern bei Parndorf hatte ein polizeiinternes Nachspiel: Ein Jahr und dreieinhalb Monate lang wurde gegen 17 Beamte der Landespolizeidirektion Burgenland ermittelt. Einer von ihnen soll das sogenannte "Todes-Foto" an die Kronen Zeitung weitergegeben haben, so der Verdacht. Auch eine mögliche Geldannahme war Gegenstand der Ermittlungen. Jetzt wurde das Verfahren eingestellt. "Es konnte nicht geklärt werden, wer das Foto weitergespielt hat", lautet die Begründung der Staatsanwaltschaft (StA) Eisenstadt.
Ende August 2015 waren die 71 Leichen in dem Kühl-Lkw in einer Pannenbucht auf der A4 entdeckt worden. Dass die Kronen Zeitung und danach auch die deutsche "Bild"-Zeitung das Foto mit den zusammengepferchten Körpern veröffentlichte, hatte für einen Beschwerde-Rekord beim Presserat gesorgt. Im KURIER ist das pietätlose Foto nie erschienen.
Kurz nach der Veröffentlichung leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses ein. "Das Foto wurde offensichtlich mittels eines Internet-Messengers, beispielsweise WhatsApp, versendet", sagt StA-Sprecher Roland Koch zum KURIER. "Trotz umfangreicher Handy-Auswertungen und Rufdaten-Rückverfolgung" konnte man auch nach mehr als einem Jahr nicht klären, wer das Bild weitergegeben hat.
Auch ein möglicher Geldfluss sei im Raum gestanden. "Auch hier konnte nicht nachgewiesen werden, dass einer der 17 Verdächtigen einen unerklärlichen Geldbetrag erhalten hat", sagt Koch. Die Einstellung des Verfahrens ist endgültig, da es kein Opfer gibt, das eine Fortführungsantrag stellen könnte.
Lange Dauer
Und warum hat das Verfahren so lange gedauert? StA-Sprecher Koch verweist auf den "umfangreichen Ermittlungsaufwand". "Es waren in diesem Fall verschiedene Stellen eingebunden."
"Es war ein komplexeres Verfahren mit vielen Ermittlungsschritten und Beteiligten", sagt Britta Tichy-Martin, Sprecherin des Justizministeriums. Da es sich um ein berichtspflichtiges Ermittlungsverfahren gehandelt habe, waren auch die Oberstaatsanwaltschaft, das Justizministerium und der Weisungsrat eingebunden. "Das heißt, den Fall haben mehrere Stellen geprüft. Das kostet natürlich Zeit. Dafür hat man aber mehr Rechtssicherheit."
Für die Landespolizeidirektion (LPD) Burgenland ist die Causa noch nicht ganz vom Tisch, erklärt der stellvertretende Landespolizeichef Christian Stella. Denn offiziell sei die LPD noch nicht von der Einstellung des Verfahrens informiert worden. Erst wenn das passiert sei, werden man weitere Schritte überlegen. "Gibt es Momente, die einer besonderen Würdigung bedürfen, werden wir den Fall an die (im Innenministerium angesiedelte, Anm.) unabhängige Disziplinarkommission übergeben", sagt Stella.
Indes beschäftigt das Parndorfer Flüchtlingsdrama weiterhin die ungarische Justiz, die den Sachverhalt gerichtlich abhandelt. "Die Ermittlungen in der Strafsache sind noch nicht offiziell abgeschlossen", sagt der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Kecskemét, Gábor Schmidt auf Anfrage des KURIER.
Gegen acht mutmaßliche Schlepper dürfte Anklage erhoben werden. Ein Afghane und sieben Bulgaren befinden sich in Ungarn in Untersuchungshaft. Vier von ihnen würden des Totschlags, die anderen vier der Schlepperei beschuldigt. Nach drei weiteren Männern wird noch per europäischem Haftbefehl gesucht.
Ganz ad acta legen können die Behörden den Fall aber wohl nie: Noch immer kennen die Ermittler die Identität von einem der 71 Toten nicht: Der Name des etwa 30 Jahre alten Mannes bleibt weiterhin ein Rätsel.
59 Männer, acht Frauen und vier Kinder, erstickt in einem Kühl-Lkw. Der Älteste war Jahrgang 1959, das jüngste Kind nicht ganz ein Jahr alt: Es war eines der schwersten Flüchtlingsdramen in Mitteleuropa, das an jenem 27. August 2015 auf der A4 bei Parndorf entdeckt wurde. Der Tod der Menschen, die zuvor aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Irak geflüchtet waren, sorgte international für Betroffenheit.
In Parndorf, wo die Leichen gefunden wurden, will man den Toten ein Denkmal setzen. Mit einem Theaterstück möchte Regisseur Peter Wagner versuchen, der Tragödie Raum zu geben. „71 oder der Fluch der Primzahl“ lautet der Name des Stückes, das am 4. Jänner in der Parndorfer Volksschule uraufgeführt wird. Es besteht aus Texten von 21 burgenländischen Autoren und aus Interviews mit Menschen, die – ob als freiwilliger Helfer, Ermittler, oder Bestatter – mit dem Geschehen konfrontiert waren. Den Mittelpunkt bildet ein schwebender Quader, der den Lkw darstellt, in dem die Flüchtlinge starben. Karten sind beim OHO-Oberwart ( 03352-38555) und dem Theatersommer Parndorf erhältlich.
Für Bürgermeister Wolfgang Kovacs ist es wichtig, „ein Mahnmal für eine friedliche Welt zu setzen“. „Was bleibt, ist das Wissen um die größte menschliche Tragödie in unserer Gemeinde seit dem Zweiten Weltkrieg.“