Chronik/Österreich

Thema Sicherheit am Experten-Tisch

Das Thema Nummer eins im Wahlkampf ist die Sicherheit. Der KURIER beschäftigte sich in den vergangenen Wochen mit den wichtigesten und umstrittensten Belangen in dieser Hinsicht. Zum Abschluss kamen die Vertreter der Parteien und Listen zusammen, um die wichtigen Fragen zu beantworten. Dass ausgerechnet die ÖVP, die mit Wolfgang Sobotka den Innenminister stellt, keine Zeit fand, um mitzudiskutieren, bot den Teilnehmern Gelegenheit, die Politik der Schwarzen bzw. nunmehr Türkisen zu kritisieren. Gleich die erste Frage lieferte den Diskutanten diesbezüglich Gesprächsstoff.

Trägt die Politik Schuld am schlechten Sicherheitsgefühl der Österreicher?

Debatten um die Polizei und die allgemeine Sicherheitslage werden gerne in den Medien ausgetragen. Ein Umstand der für Georg Bürstmayr von den Grünen entscheidend zum schlechten Sicherheitsgefühl der Österreicher beiträgt: "Wenn ich ständig auf und ab laufe und sage: ,Da gibt es riesige Gefahren und wir sind gefährdet, es ist alles ganz fürchterlich‘, dann werden Menschen irgendwann verunsichert. Vor allen Dingen dann, wenn das durch Innenminister und ihre Leute passiert."

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Konter gab erwartungsgemäßWalter Rosenkranzvon der FPÖ. Die Gefahren seien in einer Welt, die als "globales Dorf" gesehen werden kann, sehr wohl auch in Österreich präsent: "Auch Eltern aus dem Waldviertel haben Kinder, die im Sommer nach Paris oder nach London fliegen. Und wenn ein Jugendlicher mit der Westbahn nach Wien kommt, um ein Popkonzert oder ein Fußballmatch zu besuchen, dann ist es sehr wohl problematisch, wenn am Tag davor Gewaltexzesse am Westbahnhof stattfinden. Das spielt sich auch hier ab. Es geht nicht darum, ein Sicherheitsgefühl zu heben, sondern tatsächlich Sicherheit zu schaffen", argumentiert Rosenkranz.

Braucht Österreich mehr Polizisten?

SPÖ-Politiker Franz Schnabl, der selbst viele Jahre als Polizist tätig war, stimmt Rosenkranz zu, was die Verunsicherung der Bevölkerung durch internationale Ereignisse betrifft. Aber: "Mehr Polizisten allein können das Sicherheitsgefühl nicht heben. Grundsätzlich ist eine entsprechende Personalanzahl in der Exekutive aber erforderlich. Betrachtet man das Aufgabenportfolio gibt es zu wenige Polizisten."

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Peter Pilzliegt vor allem etwas daran, die Ängste der Bevölkerung nicht zu ignorieren. "Wenn in Wien Frauen 109 am Abend durch die Straße gehen und sich unsicher fühlen, muss das von der Politik ernst genommen werden", so Pilz. Nachsatz: "Wir haben ein Problem durch die völlig missglückte Polizeireform unter Ernst Strasser (ÖVP; Anm.) Anfang der 2000er-Jahre. Da ist ein ganzer Apparat parteipolitisch gesäubert worden. Wenn man hoch qualifizierte rote Kriminalpolizisten durch nicht ganz so qualifizierte schwarze Zollbeamte ersetzt, dann kann man sich vorstellen, wie nachher die Kriminalpolizei ausschaut."

Für Niki Scherak von den Neos ist das Sicherheitsgefühl aber nicht in erster Linie die Aufgabe der Polizei. "Es ist wichtig, Statistiken und Fakten richtig zu kommunizieren. Österreich ist, auch wenn es viele Ängste gibt, immer noch eines der sichersten Länder der Welt. Als Politiker darf man Sorgen nicht noch weiter anstacheln, wie es etwa im Burgendland passiert. Landeshauptmann Niessl (SPÖ) spricht von Sicherheitspartnerschaften und das Sicherheitsgefühl der Burgenländer ist sehr schlecht, obwohl es das sicherste Bundesland in Österreich ist", so Scherak.

Obwohl die Zahl von kriminellen Asylwerbern sinkt, bereitet das Thema Unbehagen. Sollte man auch bei kleinen Delikten wie Drogenhandel härter durchgreifen?

In dieser Frage verweist Scherak auf die bereits durchgeführte Strafrechtsreform, die es ermöglichte Drogendealer schon nach dem ersten Aufgriff in U-Haft zu nehmen. "Wir müssen uns anschauen, warum Asylwerber kriminell werden und das hat in erster Linie damit zu tun, dass sie Ewigkeiten auf einen Asylbescheid warten und, dass sie nicht die Möglichkeit haben, währenddessen einer Beschäftigung nachzugehen. In vielen Fällen sind es auch bereits abgelehnte Asylwerber, die kriminell werden. Da braucht es Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. Wenn diese Länder nicht bereit sind, muss ich ganz klar sagen, dass wir die Mittel zur Entwicklungszusammenarbeit gehen null kürzen."

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Walter Rosenkranz würde diese Maßnahme nur zum Teil unterschreiben. "Wenn Sie sagen, Sie wollen da ein Rückführungsabkommen machen, muss man sich Folgendes anschauen: Es gibt ja Länder wie den Iran zum Beispiel, wo Suchtgiftmissbrauch mit dem Tod bestraft wird. Was macht ein Iraner, der in Österreich wegen eines Suchtmitteldelikts verurteilt wird? Er sagt: ,Liebe Österreicher, wenn ihr mich in den Iran zurückschickt und die kommen mir drauf, dass ich wegen eines Drogendelikts verurteilt wurde, dann bin ich dort meines Lebens nicht sicher.‘ Und in diesem Fall erzeugt das Delikt einen Grund für den subsidiären Schutz eines Kriminellen. Das ist eine perverse Situation."

Georg Bürstmayr beurteilt das nicht so. "Wir schicken niemanden mit einem sehenden Auge in den Tod. Wir tun das gleiche wie mit österreichischen Straftätern. Einsperren alleine bringt nichts und außerdem ist es die teuerste Form der Kriminalitätsbekämpfung, vor allem wenn ich sie singulär einsetze. Mit solchen Menschen muss man auf vielen Ebenen arbeiten."

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Wo muss angesetzt werden, um Asylwerber nicht in die Kriminalität abrutschen zu lassen?

Ein Vorbild, weil "intelligent mit der Situation umgegangen" werde, ist für Peter Pilz Kanada. Dort wären die Probleme, die durch die Flüchtlingswelle entstanden sind nämlich schon lange vorher erkannt worden. "Man sollte schauen, dass möglichst viele Leute unten bleiben können (etwa in Syrien und Jordanien, Anm.) und das wir nur einer begrenzten Zahl von Menschen, die es besonders brauchen einen legalen Weg in die Europäische Union öffnen. Ich kann mich erinnern, wie wir im Parlament den Außenminister quasi gezwungen haben, das World Food Progamme zu unterstützen. Der hätte zugeschaut, wie die Nahrungsmittel im größten Lager in Jordanien ausgehen. Da geht es um 80.000 Menschen. Und was tun dort Frauen und Kinder, wenn es nichts zu essen gibt? Sie machen sich auf den Weg – und als sicherster Ort bleibt Europa", sagt Pilz.

Als der Flüchtlingsstrom nach Österreich kam, habe Pilz die Regierung als völlig unvorbereitet erlebt. Es gebe beispielsweise immer noch viel zu wenige Deutschkurse. "So kann keine Integration funktionieren. Wenn junge Männer, aus einer teils unfassbar frauenfeindlichen Kultur ins offene, liberale Österreich kommen, wo es Gleichberechtigung gibt, dann passiert etwas. Das sind tickende Zeitbomben. Da gibt es zu wenige Projekte."

Was kann gegen die Radikalisierung junger Menschen getan werden? "Die Aussagen die Herr Pilz gerade getätigt hat, grenzen an Hetzerei", urteilt Rosenkranz.

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DochPilzwill es besser wissen, weil "den Verfassungsschutz (BVD) kennt niemand so gut wie ich. Mich wundert oft, wie wenig über extrem gefährliche Gruppen bekannt ist", so Pilz. Der steirische Verfassungsschutz sollte acht salafistische Moscheen in Graz überwachen. Von diesen Moscheen seien laut Pilz immer wieder Pkw mit Grazer Kennzeichen in salafistische Dörfer in Bosnien gefahren. "Da informiert der bosnische Geheimdienst Österreich sehr genau. Aber unser Verfassungsschutz ist dermaßen unterbesetzt, dass kein einziger Beamter diese salafistischen Moscheen seit langer Zeit überwacht. Und das sind zum Teil hochgefährliche Menschen mit Zugang zu Waffen. Diese Leute sind paramilitärisch organisiert", sagt Pilz – und erntete in diesem Fall Zustimmung vonRosenkranz.

Das Personalproblem beim BVD sieht auch Franz Schnabl. Aber: "Wenn wir nicht gemeinsam Ideen entwickeln für Länder in Nordafrika, gibt es dort Millionen perspektivloser Menschen und daher ist eine offensive sicherheitspolitische Dimension in der Außenpolitik notwendig."