Chronik/Österreich

Teure Asyl-Hallen, die keiner mehr braucht

Vor dem Verwaltungsgebäude steht am Freitag ein einsamer Security im Innsbrucker Nieselregen. Die bereits vor Monaten aufgebaute Traglufthalle dahinter würde Platz für 240 Asylwerber bieten. Doch sie steht leer. Auf und um das Gelände, wo im Februar die Bagger auffuhren wuchert Gras. "Wir sind immer noch in der Verhandlungsphase", sagt Georg Mackner von den Tiroler Sozialen Diensten (TSD). Nach wie vor sind nicht alle notwendigen Genehmigungen für eine Öffnung erteilt.

Die Unterstützung der Stadtpolitik für die Unterkunft ist enden wollend. Die Halle steht zwar mitten in einer Gewerbezone. Die nächsten Wohngebiete der Stadtteile Arzl und Mühlau liegen hinter einem Bahndamm am Hügel. Dennoch gab es einen Proteststurm der Anrainer, als die Pläne konkret wurden.

Alle Inhalte anzeigen
Fünf Traglufthallen um insgesamt 6,6 Millionen Euro hat die Tiroler Landesregierung als Übergangsquartiere angeschafft. In Betrieb ging nur eine. Doch auch diese Halle in Hall wird sich in den kommenden Wochen leeren. Die TSD wollen die verbliebenen 177 Bewohner, wie berichtet, in kleinere Quartiere umsiedeln.

Die "verminderte Fluchtbewegung nach Österreich" mache das möglich, heißt es. Damit wird die letzte große Notunterkunft in Tirol de facto geschlossen, bleibt aber vorerst für alle Fälle stehen.

Optische Störung

"Da kaufst du dir eine Wohnung und dann setzen sie dir so etwas vor", sagt Manuela Hofer. Vor ihrem Balkon breitet sich das Quartier wie ein riesiger Wattebausch aus. Früher habe sie auf eine Wiese geblickt. Jetzt werde sie vom Weiß der Halle geblendet. "Aber immer noch besser als ein Wohnbau", tröstet sich die 56-Jährige.

Alle Inhalte anzeigen
Die Optik der Unterkunft ist heute das einzige, dass ihr sauer aufstößt: "Die Leute stören mich nicht. Die waren immer friedlich und freundlich." Hofer gibt aber auch zu: "Am Anfang hatten wir Angst." Geschichten über Gewalttaten von Asylwerbern haben die Skepsis der Anrainer genährt.

Die Anschaffungskosten für fünf Hallen, die nun nicht mehr gebraucht werden, lassen indes die FPÖ wettern. Sie wirft Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) "Geldverschwendung von über sechs Millionen Euro" vor.

Baur steht aber hinter dem Ankauf, wie sie sagt: "Die Entscheidung für den Ankauf von Traglufthallen war richtig. Sie wurden in Zeiten einer großen Fluchtbewegung nach Österreich und Tirol gekauft, deren weitere Entwicklung auch heute nicht prognostizierbar ist." Denbar sei auch, die Hallen einer anderen Verwendung zuzuführen. An einen Verkauf wird bei der TSD derzeit jedenfalls nicht gedacht.

115 Gemeinden ohne Flüchtling

Dass überhaupt Hallen gekauft werden mussten, hat freilich mit der lange Zeit zögerlichen Haltung bei der Schaffung von Quartieren in Tirols Gemeinden zu tun: In 115 von 279 Ortschaften gibt es bis heute keine Unterkunft. Rund ein Drittel der derzeit rund 6300 betreuten Aslywerber im Land sind in Innsbruck untergebracht. Derzeit erfüllt Tirol laut TSD seine Asyl-Quote.

Das war im vergangenen Oktober, als die Entscheidung zur Anschaffung von Traglufthallen fiel, noch anders. Tirol war mitten in der Quartierkrise notorisches Quoten-Schlusslicht. Und in Wien hatte man eben das Durchgriffsrecht zur zwangsweisen Schaffung von Unterkünften durch den Bund in säumigen Regionen geschaffen.

Traglufthallen wollte die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) den Ländern bereits im August 2015 nach einem Besuch einer solchen Unterkunft in Bayern schmackhaft machen. Und war damit auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Alle Inhalte anzeigen
Derzeit wird in Wien von der Bundesregierung an der umstrittenen Notverordnung gefeilt. Sie soll es ermöglichen, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Dadurch soll das Überschreiten der magischen Höchstmarke von 37.500 Asylwerbern verhindert werden. Auch dafür würde in Tirol Infrastruktur geschaffen. Am Brenner wartet das Grenzmanagement nur darauf, hochgefahren zu werden. Der Aufbau hat 1,1 Millionen Euro gekostet.