Chronik/Österreich

Telefongespräch als Rettungsanker

Anonymität ist das Fundament der bundesweiten Telefonseelsorge. Im Advent, zum Heiligen Abend und in den Tagen danach spitzen sich menschliche Krisen merklich zu. Todesfälle in der Familie, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Einsamkeit, finanzielle Probleme und/oder Streit in der Familie am Heiligen Abend überschreiten dieser Tage die Belastbarkeit Tausender Menschen.

Zu den Weihnachtsfeiertagen hat die österreichische Telefonseelsorge ( 142, bundesweit) Hochbetrieb. Ein Großteil der Anrufer sucht im Gespräch neben Hilfe und Rat einen Menschen, der endlich freiwillig – ohne zu kritisieren – zuhört.

"Es ist gut, dass ich mein Gesicht nicht zeigen muss. Denn so kann ich es auch nicht verlieren. Das sagte kürzlich eine Anruferin zu mir. Damit ist die Wichtigkeit der Anonymität erklärt. Nur so viel; die Dame trieb einen Keil in ihre Familie. Sie litt sehr darunter", beschreibt Marlies Matejka, Leiterin der Telefonseelsorge eines ihrer Tausenden Telefonate.

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Besonders tragisch ist es, wenn unerwartete Todesfälle Krisen auslösen. "Ich hatte um fünf Uhr Früh, wenige Tage vor Weihnachten, ein Gespräch, wo eine Mutter erzählte, dass ihre Tochter kürzlich Selbstmord begangen hatte", gibt Matejka Einblick in den fordernden Telefondienst. Zuletzt häuften sich verzweifelte Anrufe wegen Mobbings, Missbrauchs und wegen des gesteigerten Tempos – im Leben wie im Job.

Auch mit Selbstmord-Ankündigungen müssen die Mitglieder der Telefonseelsorge umgehen. "Wir organisieren professionelle Hilfe. Anrufe bei den Behörden sind dann möglich", so Matejka.

In der Telefonseelsorge arbeiten 700 Ehrenamtliche. Erst nach einem Jahr Ausbildung werden sie zum Telefondienst zugelassen. Unter ihnen befinden sich Lehrer, Banker und Krankenschwestern ebenso wie Handwerker oder Studenten. 130.000 Anrufe werden österreichweit pro Jahr angenommen.