Chronik/Österreich

Strafprozess um Kindesentführung im Spital

"Kindesentführung" schrie am 5. November eine Krankenschwester im Salzburger Landeskrankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt hielt eine 50-jährige Steirerin ein zweijähriges Mädchen in den Armen. Sie soll das Kleinkind aus einem Patientenzimmer – die leibliche Mutter war gerade auf der Toilette – entführt haben.

Davon wollte die Angeklagte Donnerstag bei ihrem Prozess in Salzburg wegen Kindesentziehung jedoch nichts wissen. Sie argumentierte vor Richterin Gabriele Glatz und den Schöffen in eine völlig andere Richtung: Auf der Suche nach einer Toilette sei ihr das Mädchen mit ausgestreckten Armen entgegen gelaufen: "Es wollte aufgefangen werden. Ich habe das Kind in die Arme genommen. Ich hielt es und wartete, bis jemand kommt."

Die Aufregung im Spital interpretierte die Steirerin als "Missverständnis". Tatsächlich versuchten drei Schwestern, der Frau das Mädchen abzunehmen. "Dieses Vorhaben scheiterte vorerst. Erst nach einiger Zeit gelang es, das Kind in Sicherheit zu bringen", argumentierte der Staatsanwalt vor dem Schöffensenat. Verteidigerin Sanela Miletic erklärte, dass es für ihre Klientin "keinen Grund für eine Kindesentführung gegeben habe".

Einweisung gefordert

In einem Gutachten erklärte der psychiatrische Sachverständige Ernst Griebnitz die Steirerin zur Tatzeit wegen ihres manisch-psychotischen Zustandes für unzurechnungsfähig. Der Staatsanwalt stellte daraufhin den Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. "Es sei zu befürchten, dass sie erneut eine vergleichbare Tat setzen könnte", zitierte Staatsanwalt Michael Schindlauer aus dem Gutachten. Psychiater Griebnitz attestierte zusätzlich eine "fehlende Krankheitseinsicht der Frau". Dagegen konterte Verteidigerin Miletic: "Meine Klientin wird seit fünf Monaten stationär in der Christian-Doppler-Klinik betreut." Miletic legte einen ärztlichen Befund vor, wonach bereits ein signifikanter Behandlungserfolg eingetreten sei.

Daraufhin vertagte die Richterin die Verhandlung auf unbestimmte Zeit. Es müssen noch weiter Zeugen einvernommen werden.