Chronik/Österreich

"Spitalsärzte sind eine Mangelware"

Es waren zähe, teil sehr emotional geführte Verhandlungen. Die Länder mussten den Medizinern letztlich eine in Summe rund 90 Millionen Euro teure Beruhigungspille verabreichen. Durch das am 1. Jänner in Kraft getretene Klinikärzte-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG)wird die Wochenarbeitszeit der Spitalsärzte von bislang bis zu 72 Stunden auf 48 Stunden beschränkt. Mit der Aufbesserung ihrer Grundgehälter sollte der mit der Neuregelung einhergehende Verdienstentgang abgefedert werden. Die Mediziner sollten aber auch zu freiwilliger Mehrarbeit motiviert werden, um ein drohendes Loch in der Krankenversorgung zu stopfen.

Doch ein Rundruf in den Ländern zeigt: Die Bereitschaft, weiter an und übers Limit zu gehen, hält sich in Grenzen (siehe Artikel rechts unten). In Oberösterreich haben sich an den Landesspitälern rund zwei Wochen nach der Einigung im Gehaltsstreit bislang nur zehn Prozent der Ärzte für Mehrarbeit entschieden.

Breite Ablehnung

"Mehr als 48 Stunden wollen nur noch die wenigsten arbeiten", sagt Harald Mayer, Spitalsärztevertreter bei der österreichischen Ärztekammer. Er schätzt, dass sich bundesweit letztlich 50 bis 70 Prozent gegen Zusatzdienste entscheiden werden.

Das hat für Mayer mehrere Gründe. "Die Arbeitsbelastungen sind in den vergangenen Jahren zu groß geworden." Da sei einerseits der gesteigerte Dokumentationsbedarf. Und im Gegensatz zu früher müssten immer öfter Patienten außerhalb der Tagesarbeitszeit behandelt werden, die keine Notfälle sind.

"Das nimmt die Freude am Beruf", sagt der Interessensvertreter, der noch einen großen Unterschied im Vergleich zur Vergangenheit erkennt. "Durch die Vielzahl an Ärzten waren Mediziner früher durchaus erpressbar. Heute stehen nur noch Patienten auf der Straße. Ärzte, die einen Job suchen müssen, gibt es keine mehr." Es sei schlicht eine neue Marktlage: "Spitalsärzte sind eine Mangelware und man muss uns entsprechende Vergütungen bieten. Geld ist da nicht der einzige Faktor."

Zusatzangebote

Vor allem in der Steiermark scheint man das frühzeitig erkannt zu haben. "Wir haben bereits 2013 mit einem Attraktivierungsprogramm begonnen", sagt Reinhard Marczik, Sprecher der steirischen Krankenanstaltengesellschaft KAGES. Herausgekommen sind ein Ausbildungsprogramm für Turnusärzte, Kinderbetreuungseinrichtungen und erweiterte Karrieremöglichkeiten.

Die Grundgehälter der Landesärzte wurden in der Steiermark bereits im vergangenen Herbst ohne große Nebengeräusche angehoben. In anderen Bundesländern hatten da noch nicht einmal Verhandlungen begonnen. "Den Mangel an Spitalsärzten muss man als Arbeitgeber akzeptieren. Wir haben das im Vergleich zu anderen früher geschnallt", sagt Marczik, der die Steiermark im Konkurrenzkampf um Ärzte gut positioniert sieht.

Den liefern sich die Bundesländer untereinander, aber auch mit dem Ausland. "Im Norden werden den Jungen rote Teppich ausgerollt. Sogar in der Generation 50plus gibt es mittlerweile Ärzte, die das Land verlassen. Das ist ein Alarmsignal", sagt Mayer, der mahnt: "Es kostet weniger Geld, jemand zu halten, als jemand irgendwo hinzulocken." Selbst normale Fachärzte – etwa Anästhesisten – würden inzwischen von Headhuntern gejagt.

Oberösterreich: Das Gehaltspaket (+25 Millionen Euro) hat zuletzt nur eine knappe Zustimmung unter den Ärzten gefunden. Seit der Einigung haben sich nur 10 Prozent der Landesärzte für freiwillige Mehrarbeit entschieden.

Tirol: 11,2 Millionen Euro kostet die Anhebung der Gehälter in Tirol. Am wichtigsten Krankenhaus
der Spitalsholding, der Uni-Klinik Innsbruck, haben sich bislang erst 25 Prozent der Landesärzte zu Zusatzdiensten bereit erklärt.

Salzburg: Besser läuft es in Salzburg, wo das Land 13,5 Millionen Euro in die Hand genommen hat. Jeder zweite Landesarzt hat sich bereits für Mehrarbeit verpflichtet.

Kärnten: Hier wurde der Kampf um eine Gehaltserhöhung (+13,5 Millionen Euro) besonders hart geführt. Zahlen darüber, wie viel die Mitarbeiter arbeiten wollen, gibt es noch keine.

Steiermark: Zwei Drittel der Landesärzte sind bereit, mehr als 48 Stunden zu arbeiten. Der Spitzenwert dürfte auch mit der Attraktivierung des Jobs (siehe links) zu tun haben. Die Gehälter wurden aber ebenfalls angehoben (+25 Millionen Euro).