Spielfeld: "Grenzmanagement" für niemand
Es begann mit der "Schande von Spielfeld". Diese Schlagzeile im KURIER sorgte für erhebliches Aufsehen. Allein auf Facebook wurde der Bericht innerhalb weniger Stunden über 5000 Mal geteilt. Rund 2000 Menschen – darunter auch hunderte Kinder – hatten die Nacht zuvor bei Temperaturen knapp über Null Grad auf dem kalten Betonboden am Grenzübergang verbracht. Einige Flüchtlinge übernachteten in Kartons. Kinder verbrannten ihre Alu-Decken und am Ende sogar ihre Jacken, weil es kein Brennmaterial mehr gab.
Nur eines funktionierte: Die Straßenreinigung, die in der Früh, rechtzeitig bevor die meisten Medien in Spielfeld ankamen, die Spuren des nächtlichen Irrsinns verwischten. Während eine überforderte ORF-Lokalreporterin am Abend in der Zeit im Bild noch versuchte, das Geschehen schönzureden, stockten Bundesheer und Polizei bereits ihre Kontingente massiv auf. Plötzlich waren auch Busse aufzutreiben und von Tag zu Tag wurde die Situation menschlicher und weniger chaotisch.
Noch im Oktober kam auch die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu einem "Krisentreffen" an die Grenze in Spielfeld. Die Phrase, die sie dort erstmals offiziell und nicht nur im kleinen Kreis fallen ließ, sollte den folgenden politischen Kurs einzementieren: "Wir müssen an einer Festung Europa bauen."
"Türl mit Seitenteilen"
Eine der Gründe war, dass Deutschland auf die Bremse stieg: Österreich sollte nur mehr 50 Flüchtlinge pro Stunde und Grenzübergang durchreisen lassen. An Spitzentagen waren es aber bis zu 5000, die in den Norden reisten. Mikl-Leitner begründete ihr hartes Durchgreifen unter anderem mit einer alarmierenden Prognose: Für 2016 rechnete sie mit 120.000 Flüchtlingen.
Auf "stand by"
Am 20. Jänner schließlich nahm das rund 1,7 Millionen Euro teure "Grenzmanagement" Spielfeld seinen Probebetrieb auf. Rund eineinhalb Monate lang blieb es in Vollbetrieb, am 6. März kam die bis heute letzte, 246-köpfige Flüchtlingsgruppe aus dem slowenischen Camp in Sentilij an. Seither niemand mehr.
Gespenstische Lage
Zumindest als Sehenswürdigkeit ist das einst heftig diskutierte "Grenzmanagement" noch zu verwenden: Für kommende Woche hat sich ein dänisches TV-Team angesagt, um einen Beitrag zu drehen. Immer wieder wollen Journalisten aus aller Herren Länder vor Ort drehen. Doch die Lage dort ist eher gespenstisch.
Auf der slowenischen Seite hätten die Journalisten da weniger Erfolg: Das Camp in Sentilj wurde bereits abgebaut, in Slowenien rechnet man nicht mehr damit, es jemals wieder zu brauchen. In Österreich traut sich derzeit niemand, das anzusprechen.
Zwangsprostitution, Menschen- und Organhandel, Drogenschmuggel: Hilfsorganisationen warnen immer wieder davor, dass Kinder auf der Flucht besonders gefährdet sind, Opfer von Kriminellen zu werden. Kürzlich teilten deutsche Behörden mit, dass rund 9000 junge Flüchtlinge als vermisst gelten.
In Österreich spricht das Innenministerium von 151 vermissten Flüchtlingskindern. Erfasst sind in diesen "händisch herausgezählten" Fällen jedoch nur Kinder unter 14 Jahren im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, sagt Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Im Innenministerium geht man davon aus, dass viele Kinder in andere EU-Staaten weitergereist sind. Hinweise, dass es einen Zusammenhang mit Verbrechen geben könnte, sehe man keine.
Polizei reagierte nicht
Von der Polizei habe der Bruder des Mädchens seit der Vermisstenanzeige nichts mehr gehört. Ob etwa eine Handypeilung durchgeführt worden sei, wisse er nicht. Holz-Dahrenstaedt hofft, dass durch die mediale Aufmerksamkeit noch einmal Bewegung in den Fall kommt. Nach der Kinderrechtskonvention müsse der Staat nämlich alles dafür tun, dass das Mädchen wiedergefunden werde, sagt sie.
Von Thomas Sendlhofer