Polizei prüft "organisierte Übergriffe"
Die Zahl der Anzeigen wegen sexueller Übergriffe in der Silvesternacht sind weiter gestiegen. Dazu dürfte auch die intensive mediale Berichterstattung über die Vorfälle in Köln und Salzburg beigetragen haben, heißt es unisono von den Polizeibehörden. Immer mehr Opfer, die sonst vielleicht geschwiegen hätten, gehen jetzt zur Polizei.
Quer durch Europa werden ähnliche Vorfälle gemeldet, bei denen Frauen von Männergruppen umzingelt, betatscht und bestohlen worden sein sollen – etwa in Zürich, Schweiz, in der finnischen Hauptstadt Helsinki oder im südschwedischen Kalmar.
In der Stadt Salzburg kamen am Wochenende zwei neue Anzeigen dazu; insgesamt sind es jetzt sechs. Eine 26-Jährige soll von Unbekannten an Busen und Gesäß begrapscht worden sein. Ein anderer Täter soll sich vor ihr und ihrer gleichaltrigen Freundin am Residenzplatz entblößt haben.
In Köln gibt es bereits 516 Anzeigen, etwa 40 Prozent davon wegen sexueller Belästigung, der Rest u. a. wegen Diebstahls. Bei zwei der 30 Verdächtigen wurden überdies Zettel mit deutschen Übersetzungen aus dem Arabischen sichergestellt. Darauf stand etwa: "Ich will fucken".
Verbindungen geprüft
Aus diesen ähnlich gelagerten Übergriffen ist nun die Diskussion entstanden, ob die Angriffe zusammenhängen, bzw. die Täter miteinander in Verbindung stehen könnten. In Salzburg sei das Gegenstand von Ermittlungen, sagt Polizeisprecher Michael Rausch. Bei den drei ausgeforschten Tatverdächtigen – ein 23-jähriger Syrer, ein 24- und ein 28-jähriger Afghane – könne man das aber ausschließen. Dem sei auch kriminaltechnisch, durch Sichtung der Handydaten, nachgegangen worden.
Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) geht bereits davon aus, dass die Silvesterangriffe in Köln organisiert waren. "Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein. Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt wurde", sagt Maas gegenüber der Bild am Sonntag.
Es liege der Verdacht nahe, dass sich die Tätern ein bestimmtes Datum und die erwarteten Menschenmengen bewusst ausgesucht haben – "das hätte dann noch einmal eine andere Dimension". Polizeiinternen Informationen zufolge sollen sich nordafrikanische Gruppen über soziale Netzwerke in der Silvesternacht auf dem Kölner Hauptbahnhof verabredet haben.
Soziale Netzwerke
Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl kann sich vorstellen, dass soziale Netzwerke bei den Vorfällen eine wichtige Rolle gespielt haben – sofern man von einer muslimischen Herkunft der Tatverdächtigen ausgehen möchte, erklärt er: "Wenn jemand schreibt: ,Kommt zu Silvester in die Städte, da sind die Frauen gut drauf und Freiwild‘, dann kann sich dieses Vorurteil schnell in den Gruppierungen verbreiten."
Diese Vorurteile könnten laut Kreissl entstehen, weil muslimische Männer die Präsenz westlicher Frauen in der Öffentlichkeit schlicht nicht gewohnt seien. Sie könnten "überfordert" sein bzw. ihr Auftreten "missinterpretieren".
Weil Frauen im Islam meist verschleiert und zurückhaltend sind, könnte unter den muslimischen Männern das Vorurteil entstehen, in Österreich seien alle Frauen Huren, schließt Kreissl nicht aus. Diese kulturellen Differenzen seien aber keine Entschuldigung. Kreissl: "So ein Verhalten würde auch in ihren Herkunftsländern nicht geduldet."
Wobei er darauf hinweist, dass auch österreichische Männer zuweilen wenig Respekt Frauen gegenüber zeigen. Was die Übergriffe von Silvester betrifft, war seiner Ansicht nach der kulturelle Hintergrund die Würze in einem gefährlichen Cocktail, sie gebe einem bekannten Phänomen einen neuen Dreh:
Man nehme eine Horde junger Männer, viel Alkohol und eine Ausnahmesituation, in der sie ihre Manieren vergessen. "Die Dimension ist freilich eine andere, aber das kennen wir vom Münchner Oktoberfest, bei dem es immer wieder Vergewaltigungen durch Besoffene gibt und von anderen Massenveranstaltungen. Das ist also kein flüchtlingsspezifisches, sondern ein allgemeines Männerproblem, das zu wenig diskutiert wird", sagt der Kriminalsoziologe.
Und wie sollte die Öffentlichkeit damit umgehen? "Ruhe bewahren, die Täter verfolgen und bestrafen."