Chronik/Österreich

Schüler brauchen 10.000 Likes, um sich Prüfung zu ersparen

Konzerne von Weltrang kämpfen damit, soziale Medien wie Facebook für sich einzusetzen. Allein – es fehlt ihnen oft an Experten. In der Tourismusschule Bludenz in Vorarlberg zeigen Schüler vor, wie es funktionieren kann. Ihr Lohn: Sie könnten sich eine Marketing-Prüfung ersparen.

Dem Ausflug in die Praxis der Werbung ging ein Scherz des Lehrers voraus. Soeben hatte der Pädagoge seinen Schützlingen das ABC des Online-Marketings beigebracht. Wenn „ihr 10.000 Likes auf Facebook kriegt“, witzelte er, dann falle die anstehende Prüfung aus. Die Schüler nahmen sich die Ansage sofort zu Herzen. „Wir haben uns gesagt: Okay, probieren wir das“, erzählt Matthias Tauber, 16, aus der Klasse 3 BHF. Kurz vor dem Pausenläuten hieß es dann: Top, die Wette gilt!

Bis zum Prüfungstag, dem kommenden Mittwoch, müssen die Drittklässler im sozialen Netzwerk Facebook 10.000 Fans für einen Ausfall der Prüfung gewinnen.

Sie gründeten prompt eine Facebook-Gruppe („Test vs 10.000 Likes“), kreierten ein Logo, und komponierten ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie ihr Lehrer gerade den Prüfungsstoff an die Tafel malt. Freilich wird der Umfang des Stoffes übertrieben – „Werbung halt“, sagt ein Schüler.

7600 Unterstützer

Zwei Drittklässler tingelten wie Staubsaugerverkäufer durch die Klassen und rührten die Werbetrommel. Die Aktion verbreitete sich in dem auf sozialen Netzwerken üblichen Tempo wie ein Lauffeuer. Medien sprangen auf. Es folgten Interviews vor einer Kamera und für einen Radiosender. Am Freitag hatten sie bereits 7600 Fans. „Das ist mindestens so lehrreich wie eine Prüfung“, postete ein Unterstützer. „Ich glaube, dass wir kapiert haben, wie Marketing im Jahr 2012 funktioniert“, erzählt Tauber. Irgendwann will er das Hotel seiner Eltern übernehmen. „Mit Marketing hab’ ich dann sicher zu tun.“ Die Schüler und der Pädagoge, der anonym bleiben will, sind vom Erfolg der Aktion überrascht.

Vielleicht sind die Jugendlichen dem Lehrer auf den Leim gegangen. Seit dem Anlaufen der Wette investierten sie jede freie Minute in das Projekt. Hätten sie fürs Lernen mehr Zeit benötigt? Tauber: „Ich glaube, bei einer Prüfung hätten wir nicht so viel gelernt.“