Chronik/Österreich

Schlepperbanden ändern die Route

Die Mittelmeerroute verlagert sich auf den Balkan. Oberst Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle im Bundeskriminalamt zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels, präsentierte in einem Hintergrundgespräch dramatische Veränderungen in der aktuellen Flüchtlingsfrage. Grund für die neue Strategie der Schlepperbanden sind laut Tatzgern die unvorstellbaren Zustände in Libyen, wo es vermehrt auch zu Tötungsdelikten gegen Flüchtlinge und Migranten kommt. Außerdem wirke sich alleine schon die Diskussion um einen EU-Marineeinsatz auf die Schlepperorganisationen aus.

Jetzt setzen sie vermehrt auf den sicheren Landweg. Österreich registriert das durch eine Umkehr der Aufgriffzahlen an der Brennergrenze und an der ungarischen Grenze. Im vergangenen Jahr kamen über die italienische Grenze 54 Prozent der aufgegriffenen Personen, an der ungarischen waren es 27 Prozent. Heuer sind es am Brenner 36 Prozent, und an der ungarischen Grenze bereits 53 Prozent. Heuer muss in Österreich mit einer Aufgriffzahl von 70.000 gerechnet werden (2014: 28.064).

Neue Routen

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Hauptausgangspunkt ist die Türkei. Von dort geht es am Landweg weiter über Bulgarien und Mazedonien zum EU-Grenzübertrittsort Subotica in Serbien. Eine weitere Route geht mit Booten direkt von der Türkei nach Italien. Eine dritte Route geht über den Landweg nach Albanien, und vom Hafen Durres wird die Adria nach Italien übersetzt. Von Griechenland aus wird auch der Luftweg genutzt. Syrer müssen für den illegalen Transfer aus der Türkei pro Person zwischen 8000 und 12.000 Euro zahlen. Familientarife liegen zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Schleppungen aus Griechenland kosten zwischen 2.500 Euro und 4.000 Euro. In Syrien ist von der Fluchtwelle auch der Mittelstand betroffen. Viele Syrer haben das Geld, und führen auch zusätzliche Barmittel mit sich. Ärmere Menschen verschulden sich, und liefern sich auf diese Art der organisierten Kriminalität aus.

Die Schlepperorganisationen bilden sich meistens am Ort des Flüchtlingsaufkommens, also in der Türkei und in Griechenland. Alleine in Athen werden 200 Schleuserorganisationen vermutet. Diese vernetzen sich mit Verbindungsleuten bis ins Zielland. So bekommt etwa ein ungarischer Taxifahrer für den Transport von Menschen von der serbischen zur österreichischen Grenze zwischen 200 und 400 Euro.

Alarm in Österreich

Für Österreich bedeutet das Großalarm an der Ostgrenze. Es muss mit einem Flüchtlingsrekord gerechnet werden. Lagen die Aufgriffszahlen im vergangenen Jahr noch bei 28.064, rechnen die Behörden dieses Jahr mit 70.000. Das Innenministerium reagiert mit einer starken Verlagerung von Polizeimaßnahmen in südöstliche Nachbarländer. Es gibt bilaterale Polizeistreifen an der serbisch-ungarische Grenze. Es wurden trilaterale Polizeistreifen aus Österreich, Deutschland und Ungarn gebildet, die Eisenbahnverbindungen bereits in Ungarn kontrollieren. Außerdem gibt es bilaterale Polizeistreifen mit Tschechien, Slowakei und Ungarn entlang der Staatsgrenzen. Das Ziel ist es, möglichst viele Personen noch außerhalb der Staatsgrenze aufzubringen.