Chronik/Österreich

Schlepperkriminalität: 60 Prozent mehr Festnahmen in Österreich

Es ist ein verstörendes Bild. 200 Menschen, vorwiegend junge Männer, eingepfercht in einem einzigen Lastwagen. Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt, hält das Foto hoch. Dann sagt er: „Die Ware darf nicht verderben – so sprechen Schlepperbanden über Menschenleben.“

Bis zu 7.000 Euro sollen manche Insassen für ihr „Ticket nach Europa“ bezahlt haben. Doch im konkreten Fall endete ihre Reise früher als gedacht, dennoch hatten sie Glück. Sie überlebten die riskante Fahrt. 

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Fälle wie dieser wurden am Dienstag mit dem Schlepperbericht 2022 präsentiert. Innenminister Gerhard Karner  (ÖVP) lobte die Leistung der Polizei. So wurden 2022 insgesamt 712 Schlepper festgenommen; ein Anstieg von rund 60 Prozent zum Vorjahr. Im vergangenen Jahrzehnt wurden nur ein einziges Mal mehr Schlepper von der Polizei erwischt: 2015, am Höhepunkt der Migrationsbewegung, wurden  1.108 Menschenschmuggler aus dem Verkehr gezogen.

Die Ware darf nicht verderben – so sprechen die kriminellen Schlepperbanden über Menschenleben.

Gerald Tatzgern
Bundeskriminalamt

„Jeder aus dem Verkehr gezogene Schlepper bedeutet, Menschenleben zu retten“, erklärte der Innenminister. Es gehe darum, der Schleppermafia die Geschäftsbasis zu entziehen.

Einmal mehr hieß es aus dem Innenministerium (BMI), dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ein Treiber für diese Form der Kriminalität sei. Es werde geworben, dass es derzeit so einfach wie nie sei, nach Europa zu kommen.

Migrationsforscherin Frauke Schacht bezweifelt einen Zusammenhang. „Höhere Präsenz bei Grenzkontrollen führt automatisch zu mehr Aufgriffen.“ Insgesamt wurden im Vorjahr 108.913 illegal in Österreich aufhältige Menschen aufgegriffen; ein Plus von mehr als 150 Prozent zum Jahr 2021. Geschleppt wurden davon laut BMI 73.000 Personen. 

„Machtdemonstration“

Schacht – sie ist Obfrau der Flüchtlingsberatungsstelle „Fluchtpunkt“ in Innsbruck – kritisiert, dass solche Zahlen instrumentalisiert würden, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen.

Im Innenministerium will man an dem strengen Vorgehen jedenfalls festhalten – auch an den umstrittenen Grenzkontrollen zu Slowenien. Deren Verlängerung wurde gerade erst beschlossen – und das, obwohl die mit Abstand meisten illegalen Grenzübertritte nach Österreich an der ungarischen Grenze stattfinden.  Für die Migrationsforscherin handelt es sich in erster Linie um eine politische Machtdemonstration.  

Karner hingegen betont, dass die Schleppermafia immer neue Möglichkeit finde, um Menschen über die Grenze zu bringen. So habe zwar das unlängst beschlossene Ende der Visafreiheit von Indern und Tunesiern  in Serbien zu einem starken Rückgang der Geschleppten aus diesen Nationen geführt. Nun sei aber bereits die Zahl der Bangladescher am Steigen. Rumänien stellte für diese zuletzt etwa 110.000 Arbeitsvisa aus. Die Ankommenden würden dort aber nicht lange bleiben.