Chronik/Österreich

Salzburg und Freilassing werden neues Nadelöhr für Flüchtlinge

Die Abfahrt des Zuges verzögert sich um unbestimmte Zeit. Wir bitten um Geduld“: Ein Satz, der in den Zügen von Salzburg nach München gebetsmühlenartig wiederholt wird. „Geduld“ – dieser Tage ein überstrapazierter Begriff.

Aufgrund der deutschen Grenzkontrollen im bayrischen Freilassing kommt es zu stundenlangen Verspätungen, viele Züge fallen ganz aus. Die ÖBB rät bereits von Reisen nach Deutschland ab. Am Abend heißt es per Anzeigetafel, der Zugverkehr in diese Richtung könne „nicht garantiert“ werden.

Ab sofort kann auch Österreich vorübergehend generelle Grenzkontrollen durchführen. Die entsprechende Verordnung trat mit Mitternacht in Kraft. In Salzburg hofft man dann auf Entspannung, denn dem Nadelöhr droht der Kollaps. Die ÖBB schließt nicht aus, dass der Hauptbahnhof aus Sicherheitsgründen gesperrt werden muss.

Impressionen vom Bahnhof Salzburg:

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Lage spitzt sich zu

Die Polizei zählte untertags mehr als 2000 Flüchtlinge auf der Durchreise. Der Zustrom nahm laufend zu. Zu Problemen kam es, weil viele Flüchtlinge teils unangekündigt mit Bussen, von privaten Initiativen und von Taxlern zum Bahnhof gebracht wurden. Etwas, vor dem das Rote Kreuz österreichweit abriet, um die Kapazitäten der Bahnhöfe und der Helfer nicht zu übersteigen. Laut Augenzeugen stürmten in Salzburg Ankommende rücksichtslos zu Zügen, einige rannten sogar auf die Gleise. Der Zugverkehr musste kurz eingestellt werden.

Indes werden die Grenzkontrollen für die deutsche Bundespolizei zum Kraftakt. Der KURIER begleitete vormittags den Syrer Muhamed A. mit seiner Ehefrau und drei Kindern. Er wollte mit dem Railjet nach München. Mit zweieinhalbstündiger Verspätung fuhr der Zug endlich los, stoppte aber bereits ein paar Kilometer weiter im bayrischen Freilassing. Als die Polizei alle Fahrgäste aufforderte, auszusteigen, hielt der Vater Pässe und Zugtickets bereit und flüsterte seinen Kindern zu: „Alles wird gut, keine Angst.“
Dann wurden seine Familie und 400 weitere Flüchtlinge am Bahnsteig von Beamten der deutschen Bundespolizei eingekesselt. Niemand sprach mit ihnen, es fehlten Dolmetscher. Nachdem der Zug geräumt war, durften „alle Fahrgäste nach München“ wieder einsteigen. Gemeint sind freilich nur Touristen und Pendler.

Zu Fuß zur Grenze

Mit den Flüchtlingen hatte die deutsche Polizei andere Pläne: Bisher waren sie direkt am Bahnsteig registriert und dann in Unterkünfte gebracht worden. Weil der aktuelle Andrang vor Ort nicht mehr zu bewältigen sei, würden sie gleich per Sonderzug „in eine Stadt im Ruhrgebiet“ gebracht, wie Matthias Knott, Sprecher der Bundespolizei erklärt. Dieses Prozedere soll künftig für alle Ankommenden gelten – sie werden sofort auf Lager in Bayern und andere deutschen Bundesländer verteilt.

Am Vormittag machten sich nach Schätzungen rund 500 Flüchtlinge von Salzburg zu Fuß nach Deutschland auf. 21 Personen wurden dabei von der Fremdenpolizei aufgegriffen.

Wie viele Flüchtlinge die Nacht im Notschlafquartier, der Tiefgarage am Hauptbahnhof, verbringen mussten, stand zu Redaktionsschluss nicht fest, da weiterhin Züge losfahren sollten. Die Kapazitäten dürften nicht ausgeschöpft worden sein.